mai 2000

Hans Lindenbaum
grausame orte

Postamt 5020

Wir stoßen auf die Adresse www.post.at, also das, was einmal »Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung« hieß. Wir erinnern uns, dass in den Telefonzellen einst die Schilder »Freies Ausspucken verboten« und »Fasse dich kurz« angebracht waren und - noch nicht gar so lange her - in den Telefonbüchern stand, man müsse die Wählscheibe langsam drehen und in den »Handapparat« laut und deutlich hineinsprechen. (Manche sagten zwo statt zwei, Juno statt Juni und Julei statt Juli.) So war das einmal.

Jetzt ist alles anders. Auch in den Postämtern. Wir klicken auf »rundumsicht« und sehen, wie ein »völlig neu gestalteter Kundenbereich« ausschaut. Richtig, vor genau einem Jahr erfuhren wir, dass im Land Salzburg 44 Postämter um 120 Millionen Schilling ein »neues Outfit« bekämen - postmoderne Post-Moderne sozusagen.

Wir gehen offline und outdoors, wechseln vom virtuellen Postamt zum realen namens 5020 Salzburg. Schon der Vorplatz - ein grausamer Ort. Holzstangen trennen kreuz und quer parkende Autos von Leuten, die, im Regen stehend, auf Überlandbusse von Post und Bahn warten. Wo geht's hier zum Postamt?

Das Gebäude heruntergekommen, an den Eingangstüren gelbe Zettel. »Um auch in Zukunft allen Kundenwünschen entsprechen zu können«, habe man die Dienststunden des Salzburger Bahnhofspostamtes »geändert«. Die Wahrheit ist: Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde das Angebot reduziert. War bis vor kurzem rund um die Uhr Betrieb, sperrte man vorerst um 23 Uhr. Jetzt endet »das reichhaltige Serviceangebot« um 21.30 Uhr, samstags und sonntags ist von 9 bis 20 Uhr offen.

Wir stapfen über ausgetretene Stufen in den ersten Stock - kein Lift und Wegweiser in Graffiti-Qualität. Es gibt sie also doch noch, die alte Post. »Wir haben ein bisserl saniert«, sagt der Pressesprecher. Wir sehen neue Pulte, bei denen die Postler nicht mehr durch schmale Schlitze in bunt beklebten Glasscheiben lugen. Ein Zeitungs- und Zeitschriftenbord bringt plumpe Buntheit ins Postamt: »Praline« (Regal-Rubrik »Männer«) ist links oben und somit für Knaben nicht zu greifen; »Julia« (Bereich »Romane«) rechts unten.

Was hat die Post versprochen, bevor sie die Post AG war? Ein repräsentatives Gebäude beim Hauptbahnhof (Stichwort: Visitenkarte). Keine Rede mehr davon, denn der Paketdienst arbeitet längst im Gewerbegebiet an der Autobahn; der Briefdienst folgt bald nach. Man werde sich im Hauptbahnhof einmieten - in der Zeile von Kebab- und Hamburger-Stand. Ebenerdig. »Im neuen Stil.« Wahrscheinlich noch heuer.

Mag sein. Bis dahin bleiben wir lieber im Online Shop der virtuellen Post.