april 2000

Doc Holliday
gelesen

Hoch die Humpen, nieder die Siechtümer!

JÜRGEN ROTH: »Bier! Das neue Lexikon« (Reclam Leipzig 1999)

»Mit einem Weißbuch Bier will der Verband der österreichischen Brauereien den verantwortungsvollen Umgang mit dem Genussmittel Bier fördern. In Maßen genossen, ist Bier der Gesundheit durchaus zuträglich. Die Gesundheitspolitik hat gleichzeitig die Aufgabe, über die Gefahren des Alkoholmissbrauches aufzuklären«. So schaumgebremst klingt es in einer Presseaussendung des Landes Salzburg, mit der Gesundheits-Landesrat Gerhard Buchleitner und die Braumeister sechs heimischer Brauereien zu einem »Informationsgespräch« einladen. Die Erkenntnis, dass Bier die beste Medizin für allerlei Zipperlein darstellt, ist weder neu noch originell. Und ist, wenn sie von der Brauwirtschaft vorgetragen wird, eine verkaufsfördernde Imagepolitur-Maßnahme. Immerhin 1,5 Millionen Schilling lassen sich die Bierproduzenten das von Josef Sigl (Trumer Bier) herausgegebene »Weißbuch Bier« kosten. Macht aber nix. Den wahren Biertippler kann die Fürsorge-Prosa auch nicht von seinen Privatforschungen bezüglich »Verträglichkeit« abhalten. Also ab welchem Quantum das »ruinös-komatöse Bechern« (Jürgen Roth) beginnt. Der mächtige Deutsche Brauer-Bund hat mehrfach die medizinischen Vorzüge des Bieres betont: Es schütze Herz und Kreislauf, begünstige den Cholesterinstoffwechsel, enthalte B-Vitamine, Niacin, reichlich Magnesium, Kalium und leicht verdauliche Kohlehydrate und beruhige. Letzteres ist allerdings in der Realität heftig umstritten. Reagieren doch manche Zecher, gerade wenn die Sperrstunde näher rückt, eher gegenteilig.

Die zentrale Frage lautet: Brauchen wir ein »Aufklärungs«-Buch, in dem uns Manager und bierernste Wissenschafter etwas von »vernünftigem Umgang« und »Maß und Ziel« vorschwafeln? Die Antwort kann nur lauten: Nein, Nein und nochmals Nein. Unsereins ist ein mündiger Tschecherant, der auf scheinheiliges Gerede gut verzichten kann. Kompetent sind ohnedies andere. Die nämlich, die gutes Bier von grauslichen Pfützen unterscheiden können. Lasst uns in Ruhe unser Bier trinken. Und überhaupt: Ein Spitzen-Bierbuch von Welt erkennt der geeichte Verkoster vor allem an einer Charakteristik: Es muss mindestens so lustig sein wie eine profunde Zecherei mit guten Freunden. Uneingeschränkt zu empfehlen in dieser Hinsicht sind die Werke von Jürgen Roth und Michael Rudolf. Die meisten anderen sind Zeitverschwendung und halten nur vom Trinken ab.