april 2000

Ulrike Ramsauer
geschaut

»Zu sehen (oder nicht)«

Ein Blick auf die Ausstellungstätigkeit Salzburger Galerien im April zeigt avanciertes Programm in mehrfacher Hinsicht, darunter die Wiener Malerin Johanna Kandl bei Altnöder, zwei junge Schweizer Fotografen, Nicolas Faure und Thomas Popp, in der Galerie Fotohof und - diesmal keine Bilder, Objekte oder Installationen im Salzburger Kunstverein.

Seit Ende Februar bis Ende Mai gibt es im Salzburger Künstlerhaus »100 Tage keine Ausstellung«. Stattdessen Workshops, Vorträge, Veranstaltungen und Diskussionen. Der Ausgangspunkt des Projekts ist schnell skizziert. Einem »permanenten Produktionsdruck« soll eine »Nachdenkpause« entgegengesetzt werden, um Raum zu schaffen für »grundlegende Fragen zum Programm, zur Institution und zur Positionierung im internationalen und regionalen Kontext« sowie über »Sinn, Notwendigkeit und Konzept der Produktion« zu ermöglichen. Motto: Information, Reflexion, Diskussion.

Es ging, so Hildegund Amanshauser vom Salzburger Kunstverein, um eine »merkbare Pause in der es alles, nur keine Aussstellungen gibt.«

Wobei sich diese »Pause«, zumindest auf Seiten der OrganisatorInnen, nicht wesentlich von herkömmlichen Arbeitsabläufen und knappen Zeitbudgets unterscheidet.

Diesbezügliche Illusionen hätte es auch nie gegeben. Auch gehe es viel eher darum, Möglichkeiten zu schaffen internationale Netzwerke zu installieren und verschiedene Themen auf globaler Ebene zu diskutieren. Amanshauser: »Gerade dazu kommt es während eines laufenden Ausstellungsbetriebs ja auch nicht immer. Dadurch bleiben wichtige Diskurse oft in Anfangsstadien stecken und verebben dann mit der Zeit. Dem wollten wir mit diesem Projekt massiv entgegenwirken.«

Wichtig sei es auch, die Auseinandersetzungen auf möglichst vielen Ebenen zu führen. So werden neben öffentlichen Diskussionen auch spezielle Seminare (Kunstkritik, Sponsoring) und Workshops (etwa mit der Multimedia-KünstlerIn Valie Export oder speziell für Kinder) angeboten.

Über zuwenig Nachfrage könne dabei nicht geklagt werden.

Amanshauser: »Es gibt ein großes Bedürfnis für spezifische, zielgruppenorientierte Angebote. Solche Angebote sehe ich auch als Teil unseres Dienstleistungsauftrages. Wir haben diesmal jedoch auch vergleichsweise viele Zusagen auf unsere Einladungen erhalten. Was sicher auch mit der thematischen Ausrichtung des Projekts zusammenhängt.«

Auffallend dabei ist eine relativ massive Schwergewichtung weg von eher kunstphilosophischen/kunsthistorischen Themen hin zu Fragen der Ökonomie und Politik.

Was natürlich kein Zufall ist. Dazu Amanshauser: »Der Kunstbetrieb wurde auch schon vor der Wahl im Oktober und der Regierungsbildung immer stärker nach ökonomischen Kriterien beurteilt. Das hat sich ja schon lange angekündigt und verstärkt sich derzeit rapide.«

Daher sollen die 100 ausstellungsfreien Tagen auch dazu dienen, Argumente und Strategien gegen die Ökonomisierung und Eventisierung des Kunst- und Kulturbetriebs zu entwickeln. Ein geschärfter Blick über den eigenen Tellerrand erscheint dabei fast zwingend. Was Amanshauser auch bestätigt: »Es ist äußerst wichtig diese Themen europaweit zu diskutieren. In anderen Ländern, etwa Deutschland, ist die Ökonomisierung schon viel weiter fortgeschritten. Die haben dort schon seit Jahren ganz andere Strategien entwickelt. Etwa was zu tun ist, wenn es immer weniger Geld gibt, oder wie gegenüber jenen argumentiert wird, die reine Ökonomie einfordern. Davon können wir uns ruhig etwas abschauen um eigene, neue Strategien zu entwickeln.«

Empfehlenswert ist aber auch das auf ganz traditionelle Weise Zur-Schau-Gestellte in den beiden anderen Galerien. Zwei junge Schweizer Fotografen zeigt die Galerie Fotohof: Nicolas Faures Fotografien »Von einer Schweiz zur anderen« vermitteln ein künstliches, buntes, klinisches Schweiz-Bild. Thomas Popp wiederum setzt sich in seiner Serie »Landschaften/5500 K« mit den idealen äußeren Bedingungen für eine möglichst wirklichkeitsgetreue Wiedergabe auseinander. Er wählt markante Aussichtspunkte als Standort, um nach einigen Jahren die Ansicht noch einmal zu fotografieren und feine Abweichungen als Marken der Zeit aufzunehmen. Mit Johanna Kandl »...starts at Fastnacht« setzt die Galerie Altnöder ihr Ausstellungsprogramm österreichischer KünstlerInnen der jüngeren Generation fort. Kandls Arbeiten sind private Momentaufnahmen und kollektive Erinnerungsbilder, sie dokumentieren Alltagsszenen und persönlich Erlebtes: Nach der Vorlage von Fotografien, die großteils während ihrer Reisen nach Osteuropa, Rumänien, Litauen, Aserbeidschan aufgenommen wurden, entstehen Bilderzyklen - Tempera auf Holz -, versehen mit Lesetext und Datum, die Tagebuchcharakter haben. Johanna Kandl, deren Bilder bereits 1996 im Salzburger Künstlerhaus zu sehen waren, machte auch durch Aktionen im öffenlichen Raum auf sich aufmerksam, die wohl die intendierte Resonanz fanden: Vor einem Jahr wurde sie als Straßenmalerin von der Wiener Polizei verhaftet.