april 2000

Thomas Randisek
im gespräch

Die Dinge außer Streit stellen

Herwig Pöschl, Direktor des in Salzburg ansässigen Internationalen Zentrums für Kultur und Management ICCM, war 1986 - 1990 Leiter der Kulturentwicklungsplanung in Salzburg.

- Herwig Pöschl, Du hast die Kulturentwicklungsplanung der Stadt Salzburg in den Jahren 1986 bis 1990 geleitet. Wie war die Ausgangssituation damals?

Wir haben damals gesagt, wir setzen auf die Selbstbestimmung, eigene Gestaltung, auf den Entwicklungsbedarf der bestehenden Institutionen. Deshalb hat es in der Zeit viel Vernetzungsarbeit gegeben, viel Kommunikationsarbeit, immer den Versuch, das mit den einzelnen Kulturstätten zu klären, worum es geht. In der Ära Fartacek hat man mit Spot eine andere Strategie verfolgt: man wollte ein für das Stadtmarketing und für sein eigenes Politmarketing ein erfolgerreiches Instrument finden und einzusetzen, mit dem Fartacek neben den bestehenden Kultureinrichtungen Veränderungen anstrebte. Das war der große Unterschied. Wir wissen, wie das alles ausgegangen ist, passiert ist nicht viel. Der Flop des Jahrhunderts.

- Die Liquidation für Spot war eh schon teuer genug

Ja gut, aber es war immer noch billiger. Und aus meiner Sicht hat das Ende der Kulturszene rückblickend irrsinnig geholfen, sonst wären tatsächlich der ganze anderen lebendige Kulturstättenbereich ausgeblutet. Da hätte sich nichts mehr abgespielt.Du mußt Dir vorstellen, zu dem damaligen Zeitpunkt haben die ein SPOT Budget von 40 Mio. Jahresbudget diskutiert.

Aber unabhängig davon glaube ich, es ist absolut gut, wenn man dem Kulturbereich die gleiche Aufmerksamkeit und die gleiche Planungsarbeit angeteilt läßt wie anderen Politikbereichen oder Gesundheitsbereichen auch. Kein Mensch baut heute eine Straße ohne Planung.

Bleiben wir einmal bei dem Bild der Straßenplanung, dann muß man sagen, in der Planungsphilosophie hat sich enorm viel geändert. Die alten Planungen waren ein Verkehrsleitbild für die Stadt Salzburg, eine funktionierende Totallösung, zum Teil mit radikalen Schritten, Untertunnelung des Kapuzinerbergs. De facto sind sie heute in der Verkehrsplanung wesentlich flexibler, wesentlich anders in ihrem Vorgehen, sie machen quasi action-planning, probieren etwas, studieren, ob’s hält. Funktioniert‚s, halten sie die Lösung bei, funktioniert’s nicht, gehen sie wieder einen Schritt zurück und probieren dann etwas anderes. Genauso ist es eigentlich im Kulturbereich. Ich glaube, dass man heute nicht mehr die große Planung machen kann, eine Planung für die ganze Stadt Salzburg, die – und auch ein Kulturleitbild müßte ja das einschließen – für die Salzburger Festspiele genauso gilt wie für das Kulturgelände Nonntal. In dieser Planungsvorstellung ist das impliziert.

- Was war 1996-1990 der Ausgangspunkt? Ich frage das, um zu wissen, was ist jetzt der Ausgangspunkt der Politik? Was sind jetzt die Vorgaben?

Damals war es so, dass in einer Vorstudie vorgelegt war, was ein Kulturentwicklungsplan ist, was er einschließt, dass er sozusagen der Plan ist, der alle Kulturbereiche umfassen soll. Auf der Grundlage – nach drei öffentlichen Diskussionen – ist der Auftrag erteilt worden, den Kulturentwicklungsplan zu erarbeiten. Die öffentlichen Diskussionen waren eine echte Stärke des Kulturentwicklungsplans.

Ich habe bei dem heutigen Kulturentwicklungsplan eher das Gefühl, dass er aus einem Vakuum heraus entstanden ist , nämlich aus einem Vakuum vom Heinz Schaden heraus, der einfach nicht gewußt hat, wohin er jetzt nach diesen sieben Jahren Dechant mit der Praxis soll, und das erste, was ihm eingefallen ist, war halt, das ganze zu überdenken, und er das auch schon vor einem Jahr angekündigt. Das ist ja das Problem bei diesem Entwicklungsplan: er wird seit einem Jahr angekündigt, passiert ist de facto noch nichts. Und das ist für die Leute, die teilnehmen sollen, nicht gerade motivierend. Dazu kommt, dass man das Gefühl hat, dass große Entscheidungen von diesem Kulturleitbild abhängig gemacht werden, was ich auch verstehe, aber der Verzögerungsprozeß ist einfach ein zu langer.

Es gibt da außerdem den Grund, dass der Herr Bürgermeister Schaden dieses Terrain, den Kulturbereich, zurückerobern muß. Er hat ihn nämlich in der Zeit, in der er Oppositionspolitiker war, nicht so pfleglich behandelt, dass man sagen kann, die Geschichte ist völlig klar, er ist der Fachmann der Kulturszene.

Das zweite ist, dass sie gesehen haben, dass die Stadt Linz ein Kulturleitbild erarbeitet hat. Und jetzt sind sie auf die Geschichte aufgesprungen und sagen, wir brauchen auch ein Kulturleitbild.

- Wie schätzt Du denn das ein, dass unter dem Strich ein Gemeinderatsbeschluß herauskommen soll, der sich zu diesem Kulturleitbild bekennt. Jetzt ist ihm die gesamte österreichische Situation mit der Polarisierung der Gesellschaft zuvorgekommen. Die Frage ist, hat so etwas überhaupt Umsetzungschancen? Hat so etwas eine Chance auf eine breite politische Tragfähigkeit, klammert man einmal die F aus?

Beim alten Kulturentwicklungsplan war es eine Tatsache, dass Bürgermeister Reschen ein typischer Finanzpolitiker war. Den haben Zahlen und Finanzen interessiert. Nicht kulturpolitische Ideologien oder Ideen. Jeder Schritt hat tatsächlich sachlich und finanziell begründet werden müssen. Das im Zusammenhang damit, dass die Planungsarbeit sehr wohl natürlich ideologische Glaubenssätze versachlicht, die im Kulturbereich natürlich auch zu finden sind, aber eigentlich das Salz in der Suppe sind, hat damals dazu geführt, dass es während der ganzen Dauer des Kulturentwicklungsplanes einstimmigen Entscheidungen im Kulturausschuß und im Gemeinderat gefällt worden sind, bei bestimmten Sachen auch im Kulturstadtsenat. Das heißt, die Versachlichung hat die Dinge außer Streit gestellt. Deshalb war es so wahnsinnig wichtig, die exakte Budgetanalyse zu haben. Jetzt nehmen wir die genauen Zahlen, die Literaturförderung ist 0,02%, dann brauche ich das nicht mehr ideologisch zu diskutieren, sondern dann weiß jeder, was zu tun ist.

- Es war damals auch dieses Mißverhältnis, das da ausgegangen ist von der Pro-Kopf-Förderung. Das ist ja alles hochgerechnet geworden. Das hat sich dann ja ein bißchen geändert.

Das Ergebnis war eine relativ gute Ausstattung des Kulturstättenbereichs, eine relativ gute finanzielle Ausstattung. Das ist schon unter Fartacek zurückgefahren worden. Damals war die Situation, dass das nicht wirklich bemerkt worden ist. Es hat damals sozusagen Absurditäten gegeben. Es hat überhaupt keine Objektivierung mehr gegeben. Das Spot ist ja nicht auf einer fachlichen Planungsgrundlage aufgebaut worden, das war politische Willkür.

Was kann heute am Ende von dieser Planung stehen? Noch einmal eine Absicherung der Bereiche?

Ich bin schon überzeugt, wenn die Kommunikation gelingt und bestimmte Grundsätze für die Kulturarbeit der Stadt aufgestellt werden, die von allen akzeptiert und anerkannt werden – im demokratischen Diskurs auch zwischen den Parteien einschließlich der Freiheitlichen -, dass das der Kulturarbeit nützt. Was Richtlinien sind, das bestimmte Dinge außer Streit stellt. Das zweite ist, je mehr bestimmte Dinge versachlicht werden können, desto mehr kann man es außer Streit stellen. Ihr könnt das nachlesen. Das war beim Literaturbereich eine Zahl von 0,02, dann sagt jeder, geh kumm, des is .... Da wollten sogar die Freiheitlichen einen Antrag einbringen, dass man das erhöht. Die Schwierigkeiten, in denen wir heute stecken, sind völlig neue Anforderungen an den kulturpolitischen Diskurs, die sich aus der Polarisierung ergeben. Es muß so etwas geben wie eine Suche nach neuen Argumentationen auf Allzeiten, wir brauchen neue Argumentationen. Im positiven Fall könnte – könnte, wenns gelingt, das durchzusetzen – der Kulturbereich auch die Plattform sein, die in dieser Gesellschaft auf einmal Integrationsfähigkeit hat, das heißt also das Auseinanderdriften der Pole verhindert. Das setzt Goodwill von allen Seiten voraus. Von rechts wie von links. Aber jetzt red ich schon bald wie der Erzbischof.

- Du hast einen ziemlichen Vertrauensvorschuß gehabt, Du warst der Freelancer, der auch im Kulturbereich bekannt war, aber es war klar, Du warst sehr schwer irgendwo zuzuordnen. Jetzt ist zumindest einer von diesen AuftragnehmerInnen dieser Planung mit dem IKP die Agentur, die für die Stadt alle diese Events macht, wo ich sagen würde, diesen riesigen Vertrauensvorschuß betreffend Unvereinbarkeit gebe ich denen nicht. Könnte das ein Problem sein?

Seinerseits war der Vorteil der, dass man gesagt hat, für die Arbeit am Kulturentwicklungsplan werden zunächst Vorschläge erarbeitet. Dann hat es den Vorschlag von Günter Schatzdorfer gegeben, dann hat es einen Vorschlag von mir gegeben und andere Überlegungen, es hat eine öffentliche Diskussion gegeben und de facto war das eigentlich so, dass die Kulturszene damals in den Diskussionen im ORF gesagt haben, dass die Vorstellungen aus meinem Konzept am ehesten ihren Vorstellungen entsprechen. Insofern hat’s an der Entscheidung partizipiert und den Kulturentwicklungsplan ganz enorm gestärkt. Was eine ganz wichtige Geschichte war, weil die Planung eigentlich zwischen drei Lagern steht: Politik, Verwaltung und Kulturbereich. Das war insofern kompliziert, wenn man mittendrin steckt, dann kriegt man mit, dass der Bürgermeister “Das Kino” lieber gestern als heute abdrehen will. Aber trotz allem hat man mit der Rückendeckung vom Kulturbereich gesagt, wir machen eine andere Strategie, wir weisen nach, dass “Das Kino” sich rechnen kann, dass Investitionen gerechtfertigt sind. Es hat eine Studie dazu gegeben. Und auf der Grundlage ist das dann anders entschieden worden. Das war ein Vorteil. Der Vorteil war diese große Unterstützung im Kulturbereich oder das Mandat aus dem Kulturbereich. Die Philosophie von Fartacek war schon schlecht zu sagen, ich mache etwas für meine eigene Public Relation. Und jetzt ist es einfach sicher, dass es um Public Relation geht. Das ist das, was mich dabei stört. Es ist gut, dass die Sozialforschung dabei ist. Es bleibt die Frage, welche Rolle die Wirtschaft in dem Prozeß innehat. Daß das IKP u. a. Aufträge von Jaguar, Stiegl, ÖVP-Kreisen der Landesregierung, der roten Stadtregierung wie auch mit dem Silvesterfest vom Freiheitlichen Mitterndorfer hat, zeigt, daß die sehr wandlungsfähig sind.

- Von den Ergebnissen des Linzer Kulturentwicklungsplanes – siehst Du da schon erste Auswirkungen?

Der Linzer Kulturentwicklungsplan ist ganz stark eine Planung aus der Verwaltung heraus. Es hat zwar Beiziehung von Experten gegeben und im Grunde genommen ist es aber eine relativ starke Beamtenplanung. Die zweite Geschichte ist, es orientiert sich ganz stark an den Stadtmarketing-Bemühungen der Stadt Linz. Wie kann Linz sozusagen mehr Lebensqualität demonstrieren und welche Einrichtungen und Events brauchen wir für so etwas? Und es passiert eigentlich das, dass er deshalb so unkonkret ist in diesem kulturellen Kleinbereich, weil er wahrscheinlich völlig unfähig ist, mit der kreativen Kultursuppe umzugehen. Ich vermute auch, dass der Linzer Kulturentwicklungsplan das Problem hat, dass er aus dem Kulturbereich heraus nicht getragen wird. Also wenn ich mit Linzer KulturmacherInnen rede, dann ist denen der Kulturentwicklungsplan aber so etwas von egal. dass er auf die Art und Weise ein Politspektakel sein kann, aber mit Sicherheit nicht als Grundlage für Kulturarbeit von den Kulturschaffenden gesehen wird. Und das, glaube ich, ist ein riesiges Problem.

- Besteht Gefahr für Salzburg?

Das hängt davon ab, ob die Kommunikation mit dem Kulturbereich gelingt. Das hängt davon ab, wer auch die Leitbilder entwickelt. Wenn die Leitbilder von der Wirtschaft für den Kulturbereich entwickelt werden, wird es nicht funktionieren. Es kann funktionieren, wenn der Kulturbereich gemeinsam mit der Wirtschaft Leitbilder entwickelt.

Danke für das Gespräch!

Das Gespräch führten Thomas Randisek und Gerald Gröchenig