april 2000

Österreich ist frei!

Der Journalist Gerhard Marschall beim Kulturpolitischen Aschermittwoch in Ried

Die Bundesverfassung wird geändert. Artikel 1: Mit dem Volk geht's nach rechts raus. Artikel 2: Österreich ist schon eine Demokratie, aber von dunklen Mächten umzingelt.

Daher:

- Solange in Deutschland Rot-Grün regiert, gilt jeder Anschlussgedanke als kommunistische Wiederbetätigung. Die Innviertler Feuerwehren erklären Bayern den Krieg, nehmen in Zweierreihen an der Grenze Aufstellung und zielen mit ihren Spritzkanonen über den Inn.

- Auslandsurlauber verlieren ihr Heimkehrrecht. Ihr hiesiger Besitz wird beschlagnahmt und versteigert, die Erträge fließen in den Fonds für in Not geratene freiheitliche Minister.

- Sämtliche Bestände an französischem Cognac und italienischem Wein sind umgehend zu vernichten. Für etwaige Leberschäden kommt die Krankenkasse auf.

- Pizza und Spaghetti stehen zuoberst auf der Liste der für den Volkskörper schädlichen Speisen.

- Brüssels Wahrzeichen Mäneken Pis wird zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt. Die Bundesregierung setzt eine Million Schilling Belohnung auf sein Zumpferl aus - es soll der Schatzkammer in der Hofburg einverleibt werden.

- In jeder Gemeinde ist eine Sammelstelle für Lego-Bausteine - Made in Denmark! - einzurichten. Aus ihnen wird auf dem Wiener Heldenplatz ein Mahnmal für Matador errichtet.

- Der Präsident von Sturm Graz annulliert sämtliche Niederlagen seines Vereins in der Champions-League. Die Union Sankt Georgen bei Obernberg boykottiert aus Protest bis auf weiteres alle Olympischen Winter- und Sommerspiele.

- Die Sozialministerin gestattet der unter ausbleibenden Touristen notleidenden Hotellerie und Gastronomie die Zwangsarbeit von Ausländern.

- Das »Rieder Braune« wird per Ministerratsbeschluss zur österreichischen Einheitsbiermarke erklärt. Alle Camembert-Sorten sind aus den Verkaufsregalen zu entfernen und durch Schlierbacher-Käse zu ersetzen.

- Die Spanische Hofreitschule wird aufgelöst, die Lipizzaner werden zur Vermeidung von Fortpflanzung kastriert. Ebenso die Wiener Sängerknaben nach einer unerlaubten Auslandstournee.

- Australien wird offiziell untersagt, sich weiterhin mit Austria verwechseln zu lassen. Das Känguru wird zum ganzjährigen Abschuss freigegeben. Der ausgestopfte Beutel ist in Jägerkreisen eine überaus begehrte Trophäe.

- Der Verteidigungsminister storniert die Bestellung von Schweden-Bomben.

- Nach der ÖVP gibt auch die FPÖ ein Liederbuch heraus. Die darin enthaltenen Spottgesänge auf Belgien, Frankreich und Portugal sind auswendig zu lernen.

- Der Kärntner Abwehrkampf wird zur leichtathletischen Disziplin erklärt.

- Das »Unterlavantaler Lederhosen-Quintett« wird zum Grand Prix d'Eurovision entsandt und belegt mit dem Lied »Leckts uns olle am Oasch, ös depperten Europäer, ös saudepperten ös« den letzten Platz. Die Bundesregierung spricht von einem unfreundlichen Akt, der gegen den Amsterdamer Vertrag verstoße.

- Die Außenministerin stattet Liechtenstein den 27. Besuch in diesem Jahr ab. Ansonsten erledigt sie ihren Job in Heimarbeit.

- Als Letzter unter den österreichischen Bischöfen bricht jener von Sankt Pölten alle diplomatischen Beziehungen zum Vatikan ab und beschuldigt den Papst der Kollaboration mit dem Jüdischen Weltkongress.

- An der Grenze zu Italien kommt es zu Gefechten mit der Schweizer Garde. Das Bundesheer meldet erhebliche Verluste.

Die österreichischen Botschaften in den 14 übrigen EU-Hauptstädten werden in die Luft gesprengt. Die Zündung erfolgt von Klagenfurt aus mit dem Kommando: »Loss ma's tuschn!«

- Auf Erträge aus fremdländischen Aktien wird eine 120prozentige Kapitalfluchtsteuer eingehoben.

- Der Justizminister wird ermächtigt, politische Witze über die Bundesregierung mit Gefängnisstrafe zu ahnden. Zur Abschreckung werden Stermann & Grissemann auf einem Scheiterhaufen aus deutscher Eiche öffentlich verbrannt.

- Alle österreichischen Zeitungen stellen ab sofort ihre Auslandsseiten ein und konzentrieren ihre ganze journalistische Kraft auf die Heimat-Berichterstattung. In jeder Redaktion ist eine Fremdwörter-Polizei einzurichten.

- Die Bundesregierung beschließt zur geistigen Landesverteidigung den täglichen Ankauf von 7 Millionen Exemplaren der »Kronen Zeitung«.

Nein, falsch! Richtigstellung: Die »Kronen Zeitung« meldet den Ankauf der kompletten Bundesregierung.

- Jeden Freitag wird im Burgtheater »Staberl« aufgeführt, jeden Samstag Wolf Martin. Der Rest der Woche wird vom Kunststaatssekretär für kunstfrei erklärt.

- »Oana hot oiwei dös Bummerl« wird zur Bundeshymne ausgerufen. Die zweite Strophe lautet »Immer wieder, immer wieder Österreich!«

- Der Euro wird als voraussichtliche Fehlgeburt von der Notenbank abgetrieben und durch den Bärentaler ersetzt.

- Der Landeshauptmann von Kärnten wählt sich einstimmig zum Bun-despräsidenten und Bundeskanzler auf Lebenszeit.

- Jede Schulklasse muss mindestens einmal im Jahr zu Ehren des Bundeskanzlers einen Schulausflug nach Sankt Wolfgang unternehmen. Auf dem Schafberg wird Politische Bildung unterrichtet.

- Neusiedlersee und Bodensee werden per Erlass zu Ozeanen befördert. Dazwischen schwimmt Österreich als Insel der Bier-, Wein- und Armseligkeit.

- Losgelöst von Europa - endlich ist Österreich wirklich frei!

Der Text wurde am 8. Februar 2000 in der Bauernmarkthalle, Ried/Innkreis

bei einer Gegenveranstaltung zum Kulturpolitischen Aschermittwoch der FPÖ gelesen.