april 2000

Doc Holliday

Die Mausefalle

Für Sie, werte LeserInnen, schrecken die »kf«-Sonderkorres-pondenten vor gar nichts zurück. Auch nicht vor dem Hineintappen in die Mausefalle, dem angesagten »Stimmungsbeisl« - so die unheilversprechende Ankündigung auf dem freizügig bebilderten Programmheftchen: »Raus aus dem Alltag und rein ins Vergnügen...!« Im Vorraum wähnt sich das potentielle Stimmungskanonenfutter in einer New Yorker U-Bahnstation: Komplett mit Drehkreuz und einem massiven Securitymann. Drinnen, in der schummrigen Höhle der Partylöwen, gilt: Schnell an die Bar und her mit den Betäubungsmitteln. Gemeint sind selbstredend die reichlich angebotenen Alkoholika. Doch der nächste Schock lässt nicht lange auf sich warten. Steht doch tatsächlich auf den Hemden der Barmixer der lässige Spruch: »Verrückt, was sonst...?« Ist das nun rhetorisch gemeint oder eine Verarschung der Gäste? Wir wissen es nicht. Egal, es gibt dringendere Fragen. Etwa die, aus welcher Anstalt der Verantwortliche für die Beschallung entflohen ist. Ein kurzer Blick ins Programm klärt nur seine Identität: »Stimmungs-DJ SIGI aus Tirol«. Dort wäre er besser geblieben. Seine akustische Umweltverschmutzung, stilistisch zwischen der untersten Stufe von Eurodisco, den letzten Ballermann-Sommerhits und Schlager-Dancefloor-Verschnitten hin- und herwankend, garniert der Quälgeist mit sinnigen Sprüchen: »Bei uns gibt es nur ein Gas - nämlich Vollgas«. Puh, noch mal Schwein gehabt, dass aus dem Hoppsassa nicht doch ein HopsSA geworden ist. Besonders angetan scheint der Einheizer von einer jugendlichen Schönheit der Nacht, die mit einem Leiberl mit der Aufschrift: »Unter diesem T-Shirt bin ich nackt« herumhüpft. Überhaupt das Publikum: Alles Nachbarn in sexueller Not und dennoch gnadenlos lustig. Eine durchwachsene Mixtur aus Golf GTI- und Manta-Rambos, Bratpfannen-WachlerInnen und japanischen Kamikaze-Tänzern (oder handelt es sich um Schutzgeldeintreiber? Oder einen Masochisten-Betriebsausflug? Haben sich die Gäste aus dem Reich der aufgehenden Sonne bloß im Wochentag geirrt? »Karaoke 2000« wird nur Dienstags gegeben). Früher oder später bekommt aber jeder, was er verdient. Etwa den akuten Ohrwaschelkrebs hervorrufenden Heuler »1000 Frisörinnen mit ganz nassen Haaren«. Und danach »Zicke, zacke, hoi. hoi, hoi«. Die Stimmungskanone an den Reglern produziert einen Rohrkrepierer nach dem Anderen. Da beginnt bei ihrem schwer geprüften Berichterstatter die Wirkung der Betäubungsmittel nachzulassen. Höchste Zeit das kühne Experiment abzubrechen. Jede Geisterbahnfahrt und jeder Leidensfähig- keits-Workshop hat einmal ein Ende.