april 1995

Didi Neidhart
gehört

SWAMPY DANCEFLOOR

Von allen amerikanischen Musikformen gehören die im südlichen Louisiana beheimateten Stile Cajun und Zydeco zu den sonderbarsten, eigenwilligsten und facettenreichsten. Daran hat das extreme Klima seinen Anteil, aber auch die Geschichte der Besiedelung dieses Landstrichs durch die Cajuns und Creolen.

1604 siedeln sich bretonische Einwanderer in der franco-kanadischen Provinz Acadia (woraus sich später das Wort »Cajun« entwickelte) an, welche im Zuge der Kolonialkriege zwischen England und Frankreich an die Briten fällt und flugs in Nova Scotia umgetauft wird. Katholisch stur wie sie nun mal sind, verweigern die Acadier der britischen Krone den Treueeid und werden kurzerhand deportiert. Nach einer 10-jährigen Odyssee erreichen die Überlebenden schließlich das überwiegend von Spaniern bewohnte Louisiana. Der Glaube verbindet, und so erhalten sie die Erlaubnis, sich im südlichsten Teil des Landes niederzulassen. Dort siedeln sich später auch die creolischen Nachfahren der aus den französischen Karibik-Kolonien deportierten Zuckerrohr-Sklaven an, welche im Zuge der haitianischen Revolution lt. Dekret, als »freie Menschen« nach Amerika kommen. Aus diesem äußerst fruchtbaren Gewusel der Kulturen entsteht schließlich das, was wir heute unter Cajun (keltisch-karibisch) und Zydeco (karibische Polyrhythmen mit einem doppelten Schuß Rhythm & Blues) verstehen. Wobei die Grenzen sehr oft fließend sind (das Schwarz /Weiß - Zydeco/Cajun-Schema führt nicht weit und wenn, dann zu blöden Vorurteilen), da neben dem unverständlichen Kauderwelschfranzösisch die Fähigkeit, alles - egal ob Country, Pop, Funk, Soul, Rock’n’Roll, Polkas, Walzer, Two-Steps, Blue-Grass, Reggae oder mitteralterliche Menuette - Cajun bzw. Zydeco werden zu lassen zu den auffälligsten Spezifika dieser Musik gehört.

Nun hat das Münchner Trikont-Label (Attwenger, Schellacks, Texas Bohemia, u.a.) seine Sampler-Serie »Swamp Music« um vier weitere Gustostückerl erweitert. Neben den beiden CDs, die die Pioniere Amédée Ardoin und Cleoma Falcon, von der die überhaupt ersten Cajun-Aufnahmen aus dem Jahr 1928 stammt, (Vol. VI) und die stilprägende Zydeco-Stars Boozoo Chavis und John Delafose würdigen (Vol. VII), sind es besonders die Aufnahmen, mit jüngeren Zydeco- (Vol. VIII) und Cajun-Combos (IX), die aufhorchen lassen. Nicht nur, weil hier die Post abgeht, sondern auch weil diese Aufnahmen zeigen, wie man uralte Melodien in einem Pop-Kontext spielen kann, ohne daß dabei gleich modernisierte Folklore im MTV/VIVA-Format herauskommen muß. Nicht umsonst versteht sich ein Großteil der jungen Zydecomusiker als »afrikanisch-karibische Gegenkultur« im Sinne von Hip Hop.

PRENDS DONC COURAGE

(Swamp Music Vol. VI)

LEGENDS OF ZYDECO

(Swamp Music Vol. VII)

YOUNG ZYDECO DESPERADOS

(Swamp Music Vol. VIII)

NEW TRAIL RIDERS

(Swamp Music Vol. IX)

(alle Trikont/Extraplatte)