april 1995

kurzfehler

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Josef Dechant, »demokratisch gesinnter Bürger und Vertreter einer von christlichen Grundsätzen getragenen Partei« fordert in der März-Nummer der INFO-Z »Mut zur Solidarität gegen feigen Terror« und schafft dabei einen semantischen Spagat, der sowohl das Kriegsende (»Heuer ist es 50 Jahre her, daß die Angst vor Bomben auf Österreich ein Ende nahm.«) wie die Bomben von Oberwart und Stinatz unter einen Lodenhut bringt (»50 Jahre nach dem Ende der Angst vor den Bomben auf Österreich gibt es eine neue Angst vor Bomben in Österreich.«). Denn merke: Bombe ist Bombe. Ganz egal, ob gegen »Minderheiten« oder Nazi-Deutschland gerichtet. (In historischen Quellen wie der »Salzburger Zeitung« vom 17. und 18. 10. 1944 lesen wir dann auch vom »feigen Luftterror« der »anglo-amerikanischen Terrorflieger«.)

Wie heißt es doch so schön: Der Vergleich macht Sie sicher.

Und übrigens gäbe es das ganze Schlamassel gar nicht, hätten wir nicht eine »sich wandelnde Gesellschaft, die keine einheitlichen Ziele mehr vorgibt«. Da helfen wohl nur noch die »christlichen Grundsätze« aus den Denkstuben von Erzbischof Eder.

Die Diagonale wird 1995 in Salzburg einen filmischen Ländervergleich mit der Schweiz sowie eine Fred-Zinnemann-Retrospektive präsentieren. Diese Ankündigung des organisatorischen Leiters des Filmfestivals »Diagonale« und Chefs der »Austrian Film Commission« (AFC) Martin Schweighofer löste in der sich ohnehin gegenseitig mißtrauisch beäugenden österreichischen Filmszene helle Aufregung aus. Die Kritik an den Vorschlägen Schweighofers ist freilich nicht inhaltlich, sondern bezieht sich allein auf seine Funktion: Er sei, so der Grundtenor, nur kaufmännisch verantwortlich. Schweighofer habe mit seiner Programmentscheidung gegen die Trennung von Intendanz und Geschäftsführung verstoßen.

Schweighofer rechtfertigt seinen Vorgriff so, daß nach dem Abgang des Intendanten Peter Tscherkassky der Posten des künstlerischen Leiters einstweilen unbesetzt sei, da sich Kunstminister Rudolf Scholten mit der Neubestellung über Gebühr Zeit läßt. Und irgendwer müsse sich schließlich um die dritte »Diagonale« kümmern. Wann ein Nachfolger kommt, war zu Redaktionsschluß unklar, Programm-Sachzwänge sind einem neuen Intendanten jedenfalls mit auf den Weg gegeben.

Der ARGE-BALL aus der Sicht des kunstfehler-Seitenblicke-Teams:

Es war eine berauschende Ballnacht, die mit über 350 Besuchern mehr als gut ausgelastet war und für einige sogar erst um 10 Uhr morgens des nächsten Tages endete. Neben den vielumjubelten Auftritten (Auf einem Bein steht man nicht gut!) der exzellenten Liebe-, Suff-, Sentiment- & Schlager-Combo Der Scheitel bestand der eigentliche Höhepunkt des Balls in der obligaten Abendbekleidung, welche im Vorfeld der Veranstaltung sogar für einigen Zündstoff sorgte. Frage: »Ist Abendbekleidung politisch korrekt?«

Das können wir natürlich nicht beantworten, aber wo sich sonst häßliche Entlein noch häßlichere Musik antun, gab es diesmal Anmut, Eleganz und Sophistication. Da fragt man sich schon: Warum nicht öfters so? Warum nicht bei jedem Konzert diese Mischung aus Konfirmation, Matura-Ball und Mafia-Treffen. Es waren ja nicht nur Ballkönigin Gudrun Seidenauer und Ballkönig Rainer Springenschmid ein Augenschmaus.

So freuen wir uns schon auf den nächsten ARGE-BALL und bedanken uns nochmals beim Shut Up & Dance-Team für die gelungene Durchführung.

Freunde von Raphael Chaimowitz - dem Schlagzeuger von Bands wie Fast Last Circus, Fast God Boston und Dog’s Body, der letzten Sommer in den USA tödlich verunglückt ist - gedenken des vielverspechenden jungen Musikers mit einer LP: Alte Bänder mit seinem Schlagzeugpart sowie die hinterlassenen Gedichte und Texte werden neu vertont von Vertrauten wie seiner Band Dog’s Body, The See Saw, dem Bone-Gitarristen Happy und Tom Wieland. Die Platte erscheint im April, der gesamte Verkaufserlös kommt einem Fonds zugute, der es Salzburger Nachwuchsmusikern erleichtern soll, Tonträger zu produzieren.

Szene öffne dich! scheint das nunmehrige Motto von Intendant Michael Stolhofer zu lauten. Er selbst wird sich künftig ausschließlich dem Sommerfestival widmen, über das restliche Jahr soll das ehemalige Stadtkinogebäude zu einem »offenen Kulturhaus« mutieren. Die Verantwortung dafür wird an einen »Wunderwuzi« delegiert, der in einem Jonglierakt hochqualitatives Programm durch lukrative Vermietung des Saals an Firmen finanzieren soll. Des Intendanten Slogan: »150 Tage Kommerz ermöglichen 200 Tage Kunst.« Bis Redaktionsschluß hat sich allerdings weder der besagte »Wunderwuzi« gefunden noch die kulturellen Nischen, die für den Ganzjahresbetrieb fieberhaft gesucht werden. Für das neue »offene Kulturhaus« untragbar zeigte sich außerdem der derzeitige Lokalbetrieb. Daher werden Michael Stolhofer und der bisherige Lokalpächter zukünftig ge-trennte Wege gehen; es könnte also schon bald wieder alles paletti sein.