jänner-februar 1999

Harald Friedl
gelesen

Barbara Trieb und Wilhelm Urbanek (Hrsg.): Ikonen der Gewalt. Aus dem Arsenal der Unmenschlichkeit

Verlag Turia und Kant

Wer ist der größte Franzose aller Zeiten? Napoleon, antwortet eine überwältigende Mehrheit der Franzosen. Vielleicht würde sogar eine Mehrzahl der ÖsterreicherInnen dieselbe Antwort geben, obwohl im Kampf gegen seine Invasionstruppen tausende Landsmänner ihr Leben ließen.

Im Titel dieses Buches steht »Ikone« für das Sakrosankte, für den Mythos, der den Blick auf die Wirklichkeit verstellt und programmatisch eine neue konstruiert. Napoleon war ein Kriegsherr, dessen Unglück darin bestand, doch nicht unbesiegbar zu sein. Hernando Cortez gilt im Geschichtsbild eindeutig als das, was er war, ein »Conqistador«, ein Eroberer. Aber Prinz Eugen? Richtig: als edler Ritter! Die Eroberung Ungarns - eine ritterliche Tat, edel für wen? »Tu felix Austria nube« etwa ist jener Mythos, der das Bild eines friedliebenden Herrscherhauses mitkonstruiert, in dem sich selbst das kleine, demokratische Österreich noch gerne spiegelt. Doch wo sind die Habsburger als das dargestellt, was sie waren, nämlich Kriegstreiber?

Dieses Buch zeigt in Wort und Bild die »geheimen Verführer zur Gewalt« in Österreich, seien es Denkmäler, Gemälde, Briefmarkenmotive oder Werbeplakate. Es beleuchtet die Wahrheit historischer Gestalten wie Maria Theresia, Kaiser Franz Josef oder den Judenhasser Karl Lueger. Es analysiert die Ikonographie von Heldendenkmälern, Kircheninschriften und Ehrengräbern am Zentralfriedhof. Daß dabei auch auf etymologische Wurzeln harmloser Begriffe eingegangen wird, ist nur konsequent.

Was dieses Buch nicht zuletzt so bemerkenswert macht, ist, daß es Ergebnis eines Schulprojektes am BRG IX in Wien in Zusammenarbeit mit den Bezirksmuseen ist. Die einzelnen Kapitel sind von SchülerInnen verfaßt und von LehrerInnen redigiert. Die AutorInnen bewegen sich dabei nicht bloß auf dem Feld historisch gesicherter Erkenntnisse, sondern sie setzen sich auch mit Gewaltsemantik der eigenen Jugendkultur auseinander.

Wie notwendig und zeitgemäß dieses Buch ist, zeigt sich auch an den ablehnenden Reaktionen, die es hervorrief: Es fördere, so hieß es beispielsweise, »die Haltlosigkeit der Jugend durch In-den-Dreck-ziehen der Geschichte des eigenen Volkes«!