jänner-februar 1999

Bernhard Sams

MAI - oder die totale Globalisierung

Über »Multilaterale Abkommen über Investitionen«

Brave new (MAI)-World

Ein Land verbietet einen gesundheitsschädlichen Zusatzstoff für Benzin und wird postwendend von dem Unternehmen, daß diesen Zusatzstoff produziert geklagt. Begründung: Gewinnentgang. Das Land gibt nach, zahlt dem Unternehmen 15 Millionen Dollar, läßt den Zusatzstoff wieder zu und bekennt öffentlich, daß nicht eindeutig nachweisbar ist, daß dieser Stoff wirklich gesundheitsgefährdend ist. Ein Blick in ein fernes Utopia, in dem die Unternehmen staatliches Handeln dirigieren? Nein, so geschehen in Kanada im Jahr 1998 unter dem NAFTA-Abkommen. Das amerikanische Unternehmen Ethyl gewinnt den Kampf um den in den USA verbotenen Zusatzstoff MMT.

Ein Abgeordneter zum Parlament in einem afrikanischen Staat kritisiert ein Ölförderprojekt eines internationalen Öl-Konsortiums und wird zu drei Jahren Haft verurteilt. Begründung: Diffamierung - er kritisierte, daß der Fördervertrag in den Rang eines Gesetzes erhoben wurde und die Multis ein quasi-polizeiliches Zutrittsrecht zu jedem privaten oder öffentlichen Grundstück zur Absicherung der Ölförderung erhalten haben. Worst-Case-Utopie von Weltverschwörungsfanatikern? Nein, so geschehen 1998 im Tschad: N. Yorongar kritisierte einen Vertrag zwischen dem Tschad und Exxon/Esso/Shell/Elf. Seither sitzt er im Gefängnis.

Der Inhalt

Fälle wie diese würde es unter dem vorläufig gestoppten MAI-Abkommen viele geben. Es wäre der Normalfall in einer schönen neuen MAI-Welt. Eine MAI-Welt ist eine Welt in der Aus- landsinvestitionen einen maximalen möglichen Schutz erhalten. Eine Welt in der Investoren eine Gewinngarantie gegeben wird, die auf Kosten von Sozial-, Umwelt- und Demokratiestandards geht, die wir mit als die höchsten Errungenschaften westlich geprägter Demokratien sehen. MAI das steht für »Mulitlaterales Abkommen über Investitionen« und es sieht folgende Regelungen vor:

· Das MAI verbietet Regierungen, bestimmte Forderungen an Auslands-investoren in bezug auf Arbeitsrecht, Steuerrecht, Umweltschutz, Reinvestition von Gewinnen, Tarifverträgen, Minderheitenrechte etc. zu stellen.

· Das MAI verbietet Regierungen die Enteignung von ausländischem Vermögen, wobei unter anderem auch nachträgliche Umweltauflagen als Enteignung interpretiert werden.

· Das MAI verbietet Regierungen, Auslandsinvestoren Einschränkungen des freien Gewinntransfers aufzuerlegen und damit zu verhindern, daß Gewinne in irgendeiner Form auch dem Gastlande zugute kommen.

· Das MAI erlaubt Unternehmen, Staaten vor einem von ihnen selbst bestimmtem Schiedsgericht zu klagen, wenn ein Konzern vermeint, durch Maßnahmen einer Regierung in seinen Profitchancen beeinträchtigt zu sein.

· Das MAI verbietet Regierungen, einheimische Firmen im Sinne der Wirtschaftsförderung gegenüber ausländischen Firmen zu bevorzugen.

· Das MAI verlangt, daß Regierungen für ein friedliches Investitionsklima sorgen.

· Das MAI verlangt von den Unterzeichnerstaaten keine neuen Gesetze zu erlassen, die dem MAI entgegenstehen und alle bestehenden Gesetze aufzuheben, die dem MAI entgegenstehen.

· Das MAI verlangt von Unterzeichnerstaaten eine Mindestgültigkeit des Abkommens von 20 Jahren zu akzeptierten.

Die Hintergründe

Ursprünglich für die Welthandelsorganisation (WTO) vorgesehen, wurden die Verhandlungen vor allem auf Druck der USA auf die Ebene der 29 OECD-Länder verschoben. Erklärtes Ziel dieser Strategie war es, den zu erwartenden Protest der Entwicklungsländer nicht in den neoliberalen Entwurf des MAI einfließen zu lassen. Der von den 29 reichsten Industrieländern festgeschriebene Investitionsvertrag sollte nach Abschluß allen anderen Ländern zum Beitritt angeboten werden - ohne Mitverhandlungsmöglichkeit. Ein Angebot, das anzunehmen ist: ohne MAI keine Investitionen!

Das MAI selber ist keine neue Entwicklung, es trägt die Logik weiter, die mit dem letzten Welthandelsabkommen - der Uruguay-Runde - und der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) eingeleitet wurde: die legistische Verankerung der Macht der Multis und die freiwillige Selbst-Entmachtung des politischen Systems. Das MAI ist allerdings der vorläufige Höhepunkt in der Zerstörung politischer Handlungsräume und ein Akt höchster symbolischer Bedeutung. Es ist höchster Ausdruck der Macht der Kapitaleliten, es schafft die geeigneten Rahmenbedingungen um die Reichen noch reicher zu machen. Die Allgemeinheit darf die sozialen, ökologischen und demokratiepolitischen Risiken tragen, um den Multis mit einem Minimum an Risiko ein Maximum an Gewinn zu sichern.

Es ist kein Zufall, daß 96 % des ökonom Wachstums der USA seit 1980 nur 10 % der amerikanischen Bevölkerung zugefloßen ist;

- daß die Zahl der Dollar- Milliardäre weltweit von 1988 bis 1995 von 145 auf 358 gestiegen ist und diese gemeinsam 762 Mrd. US$ besitzen, was dem Einkommen von 45 % der Weltbevölkerung entspricht;

- daß Multinationale Unternehmen 3/4 der weltweiten Exportackerflächen besitzen;

- daß die erfolgreichsten 400 Unternehmen in den letzten 15 Jahren jährlich 150.000 Arbeitsplätze abgebaut haben.

MAI und Österreich

Frankreich ist aus den laufenden Verhandlungen ausgestiegen und hat in einem eigenen Bericht (La Lumiere-Report) jene Forderungen erhoben, die erfüllt sein müssen, um über ein MAI-Projekt weiter zu verhandeln.

Und Österreich? Die Bundesregierung hat fleißig mitverhandelt und eine verharmlosende Befürworterrolle eingenommen.Warum? Sind wir etwa die besseren, braveren, strebsameren Globalisierer? Will Österreich einfach wieder einmal Musterschüler sein. Vielleicht ein wenig vorauseilender Gehorsam, ein weiterer Akt der politischen Selbstentmündigung? Lemmingsyndrom oder nur die Fortführung der Selbstentmachtung des politischen Systems in unserem Lande? Das MAI wurde im wesentlichen durch den weltweiten Widerstand der Zivilbevölkerung zu Fall gebracht- vorläufig jedenfalls ...!!