jänner-februar 1999

Mario Jandrokovic
titel

Reisen in Österreichs Musiklandschaft

Im Kulturbereich erweist sich das www gerade ob der Halb- und Lichtjahre zurückliegenden letzten Updates einfach bloß als Teil von PR-Phantomen, die Scheinöffentlichkeit erzeugen. SR, das Archiv österreichischer Popularmusik, hat dagegen das Netz als zentrale Kommunikationsform gewählt und schafft dabei eine Art von (Gegen-)Öffentlichkeit, in der Schlagworte wie »Vernetzung«, »Partizipation« und »Freier Informationsfluß« mehr sind als bloß zeitgeistige Parolen. Dabei verbreiten die SR-Webpages gar nicht die ästhetisierte Aura einer Utopie der neuen Kommunikation, sondern benutzen ganz pragmatisch das Netz als Dienstleistung, in der »Inhaltlichkeit frei zugänglich gemacht wird«, so Johnny Pichler. Er und Wolfgang »Fadi« Dorninger, beide Musiker und in der Musikzeitschrift SKUG aktiv, dachten zu Beginn dieses Jahrzehnts einfach darüber nach, was von dem Hier und Jetzt der Popmusik, in dem sie leben, über die Zeit bleiben würde, und beschlossen, ein »Archiv gegen das Vergessen« zu gründen. »Popularmusik« meint einfach jene Musik seit 1945, die nicht volkstümlich-populär oder, wie es so schön heißt, »ernst« ist. Und die Aufarbeitung von Pop, wie sie unter www.sra.at/sr passiert, bedeutet eben kein Informations-Endlager mit Gedenkstättencharakter. Alle zwei Wochen passiert ein Update an Informationen, und dabei werden sowohl Kanäle durch die Vergangenheit neu ergründet als auch das gegenwärtige Musikgeschehen des Landes, samt allen Querverbindungen zwischen MusikerInnen, Bands, Labels, Vertrieben, Fanzines und VeranstalterInnen samt Bild und Ton anschaulich gemacht. Seit Anfang 1997 hat das SR-Archiv seinen Sitz im »Music Information Center Austria« in Wien und bietet auch die Möglichkeit an, vor Ort in der Sammlung an Materialien zu stöbern. Vor allem gibt es jedoch etwa 100.000 Zugriffe monatlich auf die 85.000 Datensätze zur österreichischen Musikszene, so Sigrid Dibon vom SR-Archiv. Das Datennetz hat dabei keineswegs lokalen Charakter: Mehr als die Hälfte der User - Privatpersonen wie Professionelle - sind aus dem Ausland, vornehmlich aus Deutschland und den USA.

Mario Jandrokovic