jänner-februar 1999

Didi Neidhart
gelesen

J. Hoberman/Jonathan Rosenbaum(Hrsg.): Mitternachtskino. Kultfilme der 60er und 70er Jahre

Hannibal Verlag 1998, 320 Seiten

Nach Umberto Eco stellt das Kriterium der Unvollkommenheit die wohl spezifischste Charakteristik eines als »Kult« gehandelten Films dar. »Kultfilme« sind demnach eigentlich eine Art lose, jedoch mit viel Liebe zusammengeflickte Stückwerke unterschiedlichster (Genre-) Fragmente. Auch sind Kultstreifen daher weit mehr als einfach nur ein »Film«, viel eher werden sie zum »Kino« (seine Geschichte, seine Produktionsbedingungen, sein Mythos, etc.) an sich. Daß es hierbei nicht um die dumpfe Zeitgeist-Ideologie des »So schlecht, daß es schon wieder gut ist« geht, zeigen nicht nur Beispiele wie »The Rocky Horror Picture Show«, »Casablanca« oder - jüngstes Beispiel- »Pulp Fiction«. Auch den Autoren Hoberman und Rosenbaum geht es in ihrem, erstmals 1983 erschienenen Klassiker nicht um die Konstruktion oberflächlicher Hypes. Sie fragen nach, wie es zum »Mitternachtskino« gekommen ist, welche Filme warum »Kultfilme« wurden und welche es aus diesen und jenen Gründen nicht geschafft haben. Behandelt wird dabei fast alles, von dem das Mainstreamkino der 90er (Tarantino, Lynch, Almodovar) immer noch zehrt: Science-Fiction, Horror, Sex, Rock'n'Roll, Drogen, Camp, Glamour, Blut & Beuschl, Agitprop, Undergroundfilme (Kenneth Anger, Andy Warhol, Jack Smith), Alexander Jodorowsky (El Topo, Montana Sacra), George R. Romero (Night Of The Living Dead), John Waters' Frühwerk, David Lynchs »Eraserhead«, Bunuel, Pasolini und natürlich » The Rocky Horror Picture Show«. »Mitternachtskino« ist jedoch auch eine mitunter wehmütige Erinnerung an das Kino als kollektives Erlebnis. Die Videokultur der 90er zielt bekanntlich eher auf individuelles Vergnügen ab. Nicht unbedingt das ideale Entstehungsklima für »Kultfilme«. Auch schon als »Kult« angelegte Filme im 90er Mainstream verblassen meist nach einer Saison. Denn so einfach ist es dann auch wieder nicht. Immerhin hat ein »Kultstatus« auch etwas mit Rückblicken, gelegentlichen Spätzündungen und dem Faktor Zeit zu tun. So betonen auch die Autoren den Status der meisten »Kultklassiker« als Summe bisheriger kinematographischer und gesellschaftspolitischer Strömungen bei gleichzeitiger Vorausahnung auf noch zu Kommendes. Der Wunsch, dies alles endlich wieder zusammen mit einer verschworenen Bande von NachtschwärmerInnen in einem Kino sehen zu können, wächst dabei natürlich von Seite zu Seite. So gesehen ein doppeltes »Kult«-Buch.