mai 1995

Didi Neidhart
gehört

Kunterbunte Musikiste

Munter geht es diesmal durch die verschiedensten Stile. Im sogenannten Wonnemonat wissen eh manche nicht mehr so recht, wo ihnen der Kopf steht. Und wenn an dieser Stelle ein Scherflein dazu beigetragen werden kann, so sei es getan. Fangen wir gleich an mit der amerikanischen Dreckspatzen-Kapelle FORESKIN 500 und ihrer CD »Manpussy« (Basura!/Virgin). Schon ein flüchtiger Blick auf das Cover und der Hinweis, daß die vorhergehende CD »Mustache Ride« hieß, dürfte wohl genügen, um die besondere Färbung des Humors dieser Psychopathen-Band (schwer dazed & confused und säureköpfig) zu erkennen. Da kann es schon vorkommen, daß man nicht mehr weiß, ob man jetzt eine Jesuserscheinung auf dem Highway hat oder ob es nicht doch Charles Manson oder der Pumuckel ist, die da am Straßenrand herumlungern. Dazu werden Elektro-Grooves und Hard-Rock-Riffs vom Komposthaufen der letzten 25 Jahre Pop-History respektlos durch den Sampler gejagt (akustisches Fleischwolf-Recycling), daß es nur so eine Freude ist. Die genial spinnerte Schmuddelkinder-Version von Ministry.

Genial versponnen, aber in ganz anderen Sphären schwebend klingt auch »Nocturnes« (Glitterhouse/Ixthuluh) von RAINER PTACEK. Der deutsch- tschechische Einwanderersproß, Busenfreund von Howie Gelb (Giant Sand) und von Gott geküßter Slide-Gitarrist (da ließen es sich sogar 2/3 ZZ Top nicht nehmen, ihn auf einer seiner Solo-CDs als Backing-Band zu begleiten) legt hier im Alleingang ein seltsam-verwirrendes Instrumental-Werk vor. Musik, die klingt, als hätte sich Ry Cooder auf einem fernen, menschenleeren Planeten verirrt. Geheimnisvoller, rudimentärer Slide-Blues von einem der Besten seiner Zunft. Als Bonus gibt es dann auch noch einen Ambient/Trance-Remix vom englishen Techno/House Duo The Grid (»Swamp Thing«). Damit wird die amerikanische Wüstenlandschaft endgültig in ferne Galaxien verlegt. Allein schon deshalb ein aufhorchen lassender Ohrenschmaus.

Wir wechseln ins Land von Curry mit Pommes und Majo. Die deutschsprachige Popszene jenseits des Mainstreams erlebt bekanntlich seit einigen Jahren einen gehörigen Innovationsschub (Blumfeld füllen mittlerweile auch in England problemlos die Hallen). Als »Orientierungshilfe« bzw. zum Einstieg in die durchaus heterogene (und keineswegs nur auf Hamburg beschränkte) Szene eignet sich da der Sampler »WO IST ZU HAUSE MAMA« (Trikont/Extraplatte) bestens. Der bayrische Schriftsteller Franz Dobler (»Bierherz«, »Tollwut«) hat hier eine akustische Visitenkarte zusammengestellt, die neben bekannteren Bands (Lassie Singers, FSK, Die Sterne) auch geniale Eigenbrödler wie Fanny Van Dannen (»Gib es zu, du warst im/Nana Mouskouri-Konzert/Ich war auch da und du hast geweint«) und einen gebrochen deutsch singenden GI namens Johnny Cash (»Wo ist zu Hause Mama«) vorstellt. Zu den Auswahlkriterien vermerken die Liner Notes: »Sing wie du willst, aber erzähl mir kein’ Scheiß.« Von einem der Highlights der CD, DIE NUTS aus der römisch-katholischen Sakral-Overkill Metropole Altötting (»Wir kommen aus einer ganz heiligen Stadt/Schon als Kinder hatten wir diese Stadt so satt.« - Damit dürfte sich wohl jede Mozartkugel spontan solidarisieren können...), gibt es erfreulicherweise auch einen ganzen Silberling. »Irgendwas fehlt immer« (Trikont/Extraplatte) bringt schon im Titel eine bekannte Stimmungslage auf den Punkt. Zu gut groovendem Schepper-Schlagzeug, forsch angeschlagenen Folk-Gitarren, spartanischen Akkordeonklängen und treffsicheren, rauh-herzlichen Popmelodien gibt es kleine Alltagsgeschichten, die private Ärgernisse kongenial mit den dafür zuständigen politischen Grundlagen (Leben in Altötting, Bayern, Deutschland) kurz-schließen. Ein kleines, charmant ungeschliffenes und lustvolles Meisterwerk.