mai 1995

Didi Neidhart
zu gast

Die Goldenen Zitronen

Die Ausgangslage ist so einfach wie kompliziert. Wie muß Punk heutzutage klingen, damit er nicht zu einer subkulturellen Brauchtumsveranstaltung wird? Wie bringt man politsche Statements im Konzert/auf der LP rüber, ohne dabei nur sich und dem meist eh mit den Inhalten konformen/übereinstimmenden Publikum, in geradezu ganzheitlicher Harmonie zu bestätigen, daß man sowieso irgendwie am selben Strang zieht? Eine Antwort darauf könnte so klingen wie die LP »Das bißchen Totschlag« der Goldenen Zitronen. Teils eindeutige Textpassagen bekommen durch die Diskontinuität der Musik einen regelrecht dialektischen Gegenentwurf und die Formel »Punk« wird durch Hip Hop, Funk, Beat, Free-Style-Jazz dynamisiert und in eine aktuelle/zeitgemäße Form transformiert. Hört sich gut an, klingt auch verdammt gut. Nur wie ist das mit den Leuten, die die Band immer noch mit ihrer Funpunk-Phase assoziieren und ständig Songs wie »Für immer Punk« fordern? Dazu Ted Gaier, Gitarrist und einer der Texter der Band: »Punk bedeutete in den 70ern, sich nicht in intellektuelle, soziologische Schemen einordnen zu lassen. Auch ging es darum, den Verrat der Hippies an 68 einzuklagen und sich ein revolutionäres Bewußtsein zurückzuholen. Man hat den Hippies einen Spiegel vorgehalten und gesagt, es ist nicht alles so friedlich und toll, wie ihr immer tut. Aber spätestens seit Punk Bestandteil der Sparkassenwerbung ist, kann Punk nicht mehr so aussehen, wie ihn sich Kids heutzutage immer noch vorstellen.«

Verändert hat sich aber auch das politische Klima in der BRD. Die Goldenen Zitronen bekamen das nicht nur sehr real zu spüren (Morddrohungen, demolierte Tour-Busse), sondern reagierten auch mit radikaler Konsequenz darauf (Mitarbeit bei der »Etwas Besseres als die Nation«-Tour der Wohlfahrtsausschüsse, Neuorientierung der eigenen Position und Arbeitsweise). »Wenn Rechte Häuser besetzen, wie Soziologen argumentieren und linke bzw. Antifa-Strukturen übernehmen, muß man Formen und Strukturen suchen, die da nicht kompatibel sind. Laß uns Abschied nehmen von der Idee, Rockmusik wäre progressiv. Ein und derselbe Rocksong kann mittlerweile »Türken raus« oder »Nazis an die Wand« als Refrain haben. Die Differenz ist dabei nur eine inhaltliche, ästhetisch ist es fast dasselbe.«

Vor allem deshalb bricht die Band in ihren neuen Songs mit den Erwartunghaltungen an herkömmliche Punk/Song-Schemata, ohne dabei auf sexy Dance-Grooves zu verzichten. Und darin sind Die Goldenen Zitronen nicht nur als »Soundtrack zum Diskurs« (Th. Meinecke/FSK) unschlagbar.