Die Ära Metternich
Und noch einmal sei das in den letzten Jahren so oft bemühte Horrorszenario der hiesigen Kultur-Politik grob nachgezeichnet: In einer wundersamen Aufhebung offensichtlicher Gegensätze verlieren sich sowohl Spuren von (demokratischer) Kultur, als auch die Zeichen von (dialogfähiger) Politik verschwinden. Ansätze von Auseinandersetzung und Diskussion werden ausgelöscht, sie würden ja auch die einfachen Spielregeln stören, mit denen die Sachverwalter von Volkes Gnaden am exotischen Spielfeld der Kultur »Das kaufmännische Talent« erproben, um mit einer verspielten Variante »neuer Sachlichkeit« eine Kulturpolitik der vollendeten Tatsachen voranzutreiben. Doch es ist bei weitem nicht so, daß mit diesen vollendeten Tatsachen bloß den sogenannten Randerscheinungen am Kultursektor die Lizenz zum Mitspielen entzogen wird. Selbst wenn Repräsentanten angesehener Einrichtungen wie Burgtheater oder Festspiele Signale einer Streitkultur setzen, die zum Selbstverständnis einer Demokratie gehören sollte, wird ihnen mit nicht immer elegantem Nachdruck die Schweigepflicht im Namen der Loyalität nahegelegt. Dabei zeichnet sich eine moralische Grenze zwischen staatstragendem Denunziantentum und einem offenen, demokratischen Dialog ab - doch es fällt schwer, diese besagte Grenze an der Frontlinie zwischen Politik und Kultur auszumachen. Die übermäßige Vorsicht, mit der die Kulturszene an die Öffentlichkeit tritt, mag schon berechtigt sein, wenn die öffentliche Hand nach jeglichem Skandälchen sucht, um sich zur strafenden Faust Gottes zu ballen. Problematisch wird es jedoch, wenn auch hier im Namen der Loyalität Konfliktscheue zu einem verbindlichen, stillschweigend zu akzeptieremdem Gebot wird. Dann sieht es nämlich so aus, als wäre auch im Biotop des kulturellen Freigeistes die Ära Metternich angebrochen.