juni 1995

Didi Neidhart
zu gast

El Vez Der Sonnengott des Rock’n’Roll El Vez Der Sonnengott des Rock’n’Roll

Willkommen in der Kirche des Hl. Elvis! Wohlgemerkt in der mexikanischen Version derselben und das bedeutet nicht nur Montezuma und Revolution (»Go, Zapata, Go!«), sondern auch eine Religiosität, die es in ihren Ausformungen (Heiligenbilder, Statuen) jederzeit mit dem wildesten Pop-Kitsch aufnehmen kann und dabei nur so vor Lebensfreude strotzt (Zuckergußskelette zum Lutschen am Todestag und Ähnliches). Das alles und noch viel mehr brachte uns El Vez, »The Mexican Elvis«, in die ARGE und verzauberte dabei das Publikum wie ein Weihnachtsbaum ein Kleinkind in seinen Bann zieht. Von allen Elvis-Impersonators, die das Credo des Kings in fast missionarischer Mission verbreiten, ist El Vez der mit Abstand Einzigartigste. Und da Elvis sowas wie ein amerikanisches Nationalheiligtum ist, ist die mexikanische Komponente weniger ein Schmäh als tiefe Einsicht in das Werk des King. So ist auch die Show keine dümmliche »Elvis-Parodie«, kein peinliches »Rock-Kabarett«, kein »Oldie-Abend«, sondern exzellentestes Entertainment. Selten soviel begeisterte und glückliche Menschen bei einem Konzert gesehen und noch seltener ab dem ersten Song. Ein Umstand, der ob der nicht gerade leichten Beschaffung von El Vez-Tonträgern (erscheinen nach wie vor auf einem kalifornischen Underground-Label) nicht hoch genug angerechnet werden kann. Sowas kann man auch Liebe auf den ersten Blick nennen.

Im kurzen Small-Talk erweist sich El Vez (auf der Bühne in Gold-, Silber-, Leder-, Leoparden-Hosen) der zusammen mit seinen »Memphis Mariachis« (gekleidet wie eine Chicano-Gang aus L.A.) und den bezaubernden »Elvettes« (mit jeweils zwei kleinen Sombreros am Dékolleté und dabei alles andere als nette Staffage) auf der Bühne genüßlich Machismen jeglicher Art zerlegt, Frauen die Hand küßt und dabei Las Vegas plus Minderheitenpolitik kurzschließt (»In The Ghetto« wird als »En El Barrio« zu einem Song über Gangs und Chicanos in L.A., »Suspiscious Minds« als »Immigrant Time« zur Anklage gegen die verschärften Einwanderungsbedingungen speziell in Kalifornien), als dermaßen sympathischer Zeitgenosse fern aller Exzentrik, daß einem dabei schier die Fragen ausgehen bzw. man sich plötzlich in schwersten Elvis-Insider-Gesprächen wiederfindet und den Einfluß österreichischer Walzerherrlichkeit und Sentimentalität auf die mexikanische Mariachi- und Tex-Mex-Musik abhandelt.

Auf das die Kirche des Hl. Elvis unter der Patronanz von Montezuma und in Gestalt von El Vez, den »Memphis Mariachis« und den »Beautiful Elvettes« recht bald wieder bei uns vorbeischaut!