juni 1995

Gerhard Wohlzog

Kulturgelände Nonntal vor der Schließung

Fehlende Subventionen erzwingen zweimonatige Schließung und Kündigung der Belegschaft

Im stark gekürzten Haushalt der ARGE Kulturgelände fehlen im Vergleich zum Vorjahr Subventionen von real fast einer Million Schilling. Trotz radikaler Sparmaßnahmen kann der Betrieb des Kulturzentrums nicht mehr ganzjährig aufrechterhalten werden. Findet sich nicht in letzter Minute noch ein Finanzier, muß die ARGE für mehr als 2 Monate gesperrt und die gesamte Belegschaft gekündigt werden.

1990 wurde erstmals eine Entwicklungsplanung für das Kulturgelände vorgelegt, um mittelfristig auf einen ausreichenden Finanzierungsstand zu kommen, wodurch nur mehr eine jährliche Inflationsabgeltung nötig wäre. Leider war damals nur die Stadt Salzburg bereit, eine verbindliche Entwicklungszusage zu geben. Das BMUK und das Land Salzburg lehnten eine planbare Entwicklung mit dem Hinweis auf rechtliche Schwierigkeiten bei Vorgriffen auf kommende Budgets ab und hinkten in den vergangenen Jahren dementsprechen nach.

Seit heuer ist nun auch die Stadt Salzburg nicht mehr bereit, sich auf mittelfristig verbindliche Finanzierungen einzulasssen und kürzt ver-glichen mit der valorisierten Vorjahressubvention um ganze öS 325.000; dies trotz einer protokollierten Zusage des Bürgermeisters in den offiziellen Förderverhandlungen zwischen Stadt, Land und Bund, zumindest den Vorjahresbetrag (öS 3,31 Mio.) auszuzahlen. Auch die protokollierte Zusage von Bgm. Dechant bezüglich einer Zufahrt zum Kulturgelände, »daß dessen Verwirklichung möglich sein werde«, wurde bis heute nicht ansatzweise eingehalten. Darüber hinaus fehlt von der Stadt auch die Refundierung der nicht budgetierten Kommunalabgabe für 1994 und 1995 in der Höhe von je öS 120.000,-.

Anträge zum Erlaß der Vergnügungssteuer oder der Anzeigen- bzw. Ankündigungsabgabe, wie dies bei größeren Einrichtungen in dieser Stadt durchaus üblich ist, wurden abgelehnt bzw. nicht einmal beantwortet.

Das Land Salzburg hat zwar heuer seinen laufenden Zuschuß leicht über der Inflationsrate angehoben, steht aber immer noch mit 1 Mio. S hinter dem tatsächlichen Bedarf

(+ öS 900.000,- Investitionen) abgeschlagen an letzter Stelle der drei Subventionsgeber. Zusätzlich fehlt im Jahresbudget ein im Vorjahr einmalig gewährter Investitionsbeitrag von 0,5 Mio Schilling.

Auch beim Bund tut sich Spektakuläres: Der Kurzzeit-Unterrichtsminister Erhard Busek kürzte das Budget der Abteilung Erwachsenenbildung im BMUK um rund 50 Mio. S, angeblich mit der Order, diese primär bei Kultureinrichtungen einzusparen, bevor er nach 4-monatiger Amtszeit wieder das Ressort abgab. Obwohl wir die drei betroffenen Angestellten erst mit Ende Juni (bzw. September) kündigen können, wissen wir Mitte Mai noch nicht, wie hoch die Finanzierung über die Erwachsenenbildung heuer sein wird. Als Rechengrundlage gehen wir derzeit von einer 20%igen Kürzung der Vorjahressubvention aus - es kann aber auch noch schlimmer kommen.

Der Beirat der Abteilung III/8 im BMWFK hat im Jänner die Vorjahressubvention plus einer Investitionssubvention empfohlen; bis dato gibt es darüber jedoch keinen gültigen Beschluß, sodaß auch dabei noch mehr als ein Fragezeichen anzufügen ist.

Auch in allen anderen Abteilungen des für Kunst zuständigen Ministeriums heißt es zur Zeit: »Kein Geld« oder »Heuer schon alles Vergeben«.

Liquidität, fahrlässige Krida oder

Die Usancen einer Kulturstadt

Zusätzlich zur katastrophalen Budgetsituation kommen die zu geringen Gelder großteils auch noch viel zu spät. So ist uns Anfang Mai die Abteilung Erwachsenenbildung noch 200.000,- S aus dem Vorjahr (!) schuldig und selbstverständlich auch die Personalsubvention für die längst fälligen Gehälter von Jänner bis Mai 95! Ebenso hat die Stadt bis dato keinen Schilling überwiesen.

Wie stellen sich SubventionsgeberInnen eigentlich vor, daß ein gemeinnütziger Verein 3 bis 4 Mio. S vorfinanzieren soll, wenn die benötigten Mittel erst im Mai oder Juni angewiesen werden? Sollen Kulturarbeiter, die aufgrund der Beschlußfristen bei öffentlichen Körperschaften in die fahrlässige Krida gezwungen werden, auch noch privat Wechsel unterschreiben? Sollen die Angestellten eines Hauses das erste halbe Jahr zuerst einmal arbeiten, bevor sie möglicherweise im Juni das erste Gehalt sehen? Sollen die ersten 80 bis 100 Veranstaltungen und Projekte auf Pump vorfinanziert werden, die Lieferantenfirmen unter Hinweis auf den Zahlungsverzug der Stadt Salzburg sechs Monate vertröstet werden? Sollen internationale KünstlerInnen vor dem Usus der Mozartstadt gewarnt, bereits eingegangene Verträge storniert werden? Was bezwecken gewählte Mandatare eigentlich mit diesem ungeheuerlichen, ja fahrlässigen Vorgehen?

Radikale Sparmaßnahmen

Aufgrund der sich bedrohlich abzeichnenden Budgetsituation mußten Vorstand und Geschäftsführung der ARGE zum großen Unmut aller ProjektleiterInnen einen radikalen Sparkurs im Kulturprogamm beschließen, der bereits die Grenze der Sinnhaftigkeit erreicht hat. So mußten vom bereits projektierten und tw. schon vertraglich fixierten Kulturprogramm '95 ganze 82 Projekte, Veranstaltungen und Produktionen abgesagt werden!

Unter anderem abgesagt wurden:

• Sommerprogramm 95: 12 Veranstaltungen zwischen Anfang August und Anfang September

• das 5. Wintersymposion im Kulturgelände Nonntal zum Thema »political correctness« mit Kerstin Grether, Diedrich Diedrichsen, Michael Rutschky u.a.

• die Theaterproduktion »Der Fremde« von Albert Camus in österreichischer Dialektfassung von Karl Ferdi-nand Kratzl unter der Regie von Stephan Bruckmeier

• die gesamte Konzertreihe »Double Feature«

• die gesamte Projektreihe »Shut up & listen«

• sämtliche Video-, AV- und Kunst am Bau-Projekte

• alle Ausbildungsprojekte

Bei jenen Projektreihen, die die Streichorgie überlebt haben, wurden zusätzlich die Anzahl der Veranstaltungsabende um 20 bis 30 % gekürzt, sodaß zum Beispiel bei den höchst beliebten Reihen »Global Village Sounds« und »Jazz im Nonntal« jeweils nur mehr 7 Abende im Jahr übrig blieben. Jede einzelne Projektkalkulation wurde ein drittes und viertes Mal auf etwaige gerade noch vertretbare Einsparungsmöglichkeiten durchforstet. (zB.: Künstler privat unterbringen, Programmfolder in Italien drucken lassen u.ä.m.) Auf der Einnahmenseite wurden Werbungserlöse (z.B. kunstfehler: +400% gegenüber 1994!) Eintrittspreise und Benützungsgebühren erhöht.

Trotz all dieser radikalen Sparmaßnahmen bleiben im Kulturbudget rund öS 300.000,- unbedeckt.

Ähnlich wurde auch im Betriebsbudget vorgegangen, wenngleich hier nicht einfach 30 % der Gehälter, Mietzahlungen, Betriebskosten, Leasingraten u. a. m. »abgesagt« werden konnten. Trotz Verzicht auf die dringend notwendige 25-Stunden-Anstellung eines/r soziokulturellen Projektleiters/in, trotz erheblicher Einschränkungen in der PR-Arbeit, trotz Reduktionen bei bestehenden Anstellungen (S 1.200,-/Monat »Kulturabgabe« der Angestellten); trotz »wilder« Einsparungen bei Betriebskosten und der Streichung fast aller geplanten Investitionen, trotz Preis-erhöhungen, Spendenaktionen und schon beinahe unvorsichtig hoher Einnahmenkalkulation verbleibt im Haushalt der ARGE ein Jahresverlust von öS 680.000,-. Vorstand und Geschäftsführung können unmöglich die Verantwortung für einen drohenden Abgang in dieser Höhe übernehmen.

Findet man im Nonntal nicht bis Juni noch einen »Finanzier« für den drohenden Jahresverlust, muß das Kulturgelände über den Sommer (1. Juli bis 15. Sept.) gesperrt und alle MitarbeiterInnen gekündigt werden.

Die Einführung von »Gastgewerbe-ähnlichen Bedingungen« - Saisonarbeit mit zwischendurch »Stempeln gehen« - werden die Zuständigen zu verantworten haben.

Weitere Aussichten: Bei den Förderverhandlungen mit Stadt, Land und Bund zeigte man sich zwar von der Dramatik der finanziellen Situation betroffen, konkrete Zusagen gab es jedoch nicht. Einzig LR Othmar Raus bot an, sollte sich bis Ende Mai kein Erfolg bei Stadt und Bund abzeichnen, neuerlich in Verhandlungen einzutreten. Für 1996 wurde ein neuerliches »Einfrieren«« der Förderungsbeträge angekündigt. Durch inflationsbedingte Kostensteigerungen kommt es damit zu einem immer dramatischeren Auseinanderklaffen zwischen tatsächlichem Bedarf und Finanzierung durch die öffentliche Hand. 1996 würden demnach - auch bei einem neuerlichen radikalen Sparbudget - 1,6 Mio. S fehlen. Eine bis zu viermonatige Schließung des Kulturzentrums wäre die unausweichliche Folge! Die Aushungerung wird von den meisten Verantwortlichen offensichtlich in Kauf genommen, will man nicht unterstellen, daß dies sogar politisch erwünscht ist. (Kulturfeindlichkeit bringt ja angeblich WählerInnen-Stimmen.) Bei den Verhandlungen wurde auch ein lang gehegter Verdacht indirekt bestätigt: Die Streichung von bereits zugesagten Fördermitteln durch die Stadt Salzburg ist ein direkter Disziplinierungsversuch für ein unbequemes Kulturzentrum, dessen Geschäftsführer immer wieder zu kulturpolitischen Auseinandersetzungen öffentlich Stellung nimmt und dessen Zeitung - Vorsicht, Sie haben sie gerade in Händen - mit ihrer kritischen Berichterstattung über Salzburger Lokalpolitik offensichtlich einigen mißfällt.