august 1995

Birgit Feusthuber
gelesen

Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend.

Göttingen: Wallstein Verlag 1992

Laut Auskunft der Rupertus Buchhandlung steht Ruth Klügers »weiter leben« seit seinem Erscheinen nie lange im Regal und verkauft sich erstaunlich gut. Ein Buch über das Überleben in Auschwitz und trotzdem ein geheimer »Renner«? Schon im ersten Satz offenbart sich die besondere Schreibweise der Wiener Literaturprofessorin, die in Kalifornien lehrt: “Der Tod, nicht Sex war das Geheimnis, worüber die Erwachsenen tuschelten, wovon man mehr gehört hätte”. Nüchtern und zum Teil aggressiv verweigert sich die Autorin in ihrem ersten Buch dem Opferstatus, der KZ-Überlebenden gerne verliehen wird. Reflexionen über ihr Leben in den USA, das komplizierte Verhältnis zu Deutschland fließen in die präzise Schilderung des Überlebenskampfes ein, der in besonderem Maße auch von der schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung im Lager gekennzeichnet war. Sprachliche Genauigkeit, in der das Ungesagte fast ebenso wichtig erscheint, zeichnet dieses kluge und fast schmerzhaft offene, pathoslose Buch aus. Ruth Klüger erhielt für »weiter leben« den Rauriser Literaturpreis 1993 für die beste Prosa-Veröffentlichung in deutscher Sprache.