august 1995

Harald Schlömmer

Essen auf drei Rädern

Die Stadtkosmetik ist der Selbstverwirklichung nahe: 45 öS Mio. Kürzung im Sozialbudget 1996

Die feine Art ist es nicht gerade, politische Praxis allemal: Höchst unpopuläre Entscheidungen werden von den Kommunen gerade kurz vor der Sommerpause gefällt. Wohl um der folgenden Medienschelte im sonnigen Süden oder anderswo zu entgehen. Bis zur Rückkehr werde sich, so die augenscheinliche Hoffnung der politischen AmtsträgerInnen, der ärgste Wirbel gelegt haben.

Diese Uhren gehen auch in Salzburg nicht anders:

Im Juli empfahl der Gemeinderat gerade noch rechtzeitig vorm Sommerschlaf mit den Stimmen von ÖVP, F, Liste 10 und Automobilisten die Kürzung des Wohlfahrtsbudgets 96 um 45 Millionen Schilling.

Was das soll, kann uns allerdings momentan niemand beantworten (siehe Urlaub), Überlegungen anzustellen ist geboten.

Im Klartext: Während laut SN die Straßenverwaltung von Kürzungen '96 völlig verschont bleibt, die Magistratsdirektion sogar um 10 Mio. mehr bekommen soll als 95, trifft es Kultur und Wohlfahrt von allen Ressorts mit insgesamt 70 Mio. am härtesten. Wenn im Sozialbereich jene jetzt vorgeschlagenen 45 Mio. wirklich eingespart werden sollten, kann von einer freien Sozialförderung nicht mehr die Rede sein. Also das Aus für Behindertentaxi, Essen auf Rädern, Tageszentren für SeniorInnen , das Aus für Saftladen, Aids-Hilfe, Frauentreffpunkt und weitere rund 70 Vereine im Sozialbereich.

Ein breiter Konsens ist für diese Entscheidung wohl kaum denkbar. Sie zu realisieren auch nicht. Selbst wenn der Zynismus soweit reichen sollte, jene, die gefallen sind, wirklich fallen lassen zu wollen, gibt es noch genug Untersuchungen von berufener Seite. Sie belegen, daß ein überzogener Sparkurs gerade im Nachbetreuungs-, Präventiv- und Gefährdetenbereich kontraproduktiv sei. Und das nicht nur lang- und mittelfristig, sondern binnen kürzester Zeit: SeniorInnen in Krankenhäuser zu stecken, wenn Hauspflege ausreichte, Haftentlassene sich selbst überlassen und allenfalls wieder einzukerkern, Jugendliche auf die Straße zu schicken, bis sie das machen, was die Straße von ihnen verlangt, braucht Geld. Mehr Geld, denn je eine Betreuung vorher kosten könnte.

Warum werden solche Empfehlung ausgesprochen?

Der Wunsch nach Neuwahlen wird kolportiert - jüngste Meinungsumfragen verheißen dem Rechts-trend Stabilität bis leichte Wachstumsraten - den beschließenden Parteien kann also nichts passieren außer für sie Besseres. Im Gespräch ist auch der berühmte Schuß vorm Bug: Nur ja nicht zuviel fordern, es könnte bei der angespannten Budgetlage Kopf samt Kragen kosten.

Im Herbst werden wir sehen, was damit gemeint war, und ob der wildgewordene Rotstift auch Folgeschäden zu sehen vermag.

Politisches Handeln ist das jedenfalls nicht mehr. Verwaltung ja, bestenfalls verwaltende Politik.

Und menschenverachtend ist es allemal, wenn auf dem Rücken jener, die vom Segen dieser Welt ohnehin nicht allzuviel abbekommen haben, der Spardonner grollt.