september 1995

Didi Neidhart
gehört

KYBERNETISCHE POPMUSIK

15 Jahre Freiwillige Selbstkontrolle

Wenn man es als Band schafft, 15 Jahre lang immmer gerade dort zu sein, wo es im Lande Bohemia brodelt, dann hat man sich schon ein üppiges Jubiläumspräsent verdient. So wie FSK mit ihrem Sampler »Bei Alfred. 44 Exitos Populares 1980 - 1989« (ZickZack/Indigo/Ixthuluh).

Die Münchner Band um Justin Hoffmann, Thomas Meinecke (im kunstfehler ja seit »Musik Macht Politik« hinlänglich bekannt), Michaela Melián und Wilfried Petzi entstand 1980 als musikalischer Arm der Künstlerzeitschrift »Mode und Verzweiflung« und wurde schnell zu einer der kontoversesten Bands der sogenannten »Neuen deutschen Welle«.

Erschien die radikale Anti-Haltung von FSK gegenüber Hippies (»Ab nach Indien!«) und einer Linken, die sich mit dem Staat arrangiert hatte, noch kompatibel, so waren kämpferische FSK-Refrains wie »Ja zur modernen Welt« selbst den härtesten, im Umgang mit affirmativen Slogans geschulten Untergangs-Adepten der »Apocalypse Now«/Neubauten-Schule zuviel. Ein Umstand, der der Band nicht nur Diedrich Diederichsens legendäres Sounds-Zitat als »Band für die deutsche Intelligenz«, sondern auch »FSK-Haß-Klubs« einbrachte.

Heute sind FSK eine der wichtigsten und einflußreichsten Bands jenseits des anglo-amerikanischen Pop-Universums. Sie haben nicht nur in England und Amerika eine fanatische Anhängerschar, sie sind auch für jüngere Bands, wie Die Regierung, Mutter, Flowerpornoes, Motion!, Die Goldenen Zitronen oder Blumfeld zu so etwas wie ein Angelpunkt und eine Reibungsfläche geworden.

FSKs Arbeitsweise des »transkontinentalen Feedbacks« (jener produktiven Mißverständnisse, blinden Passagiere, verlorenen Gepäckstücke, die sich beim Ex/Import von Kultur ergeben) betrifft eben nicht nur eine spezielle stilistische Form, sondern auch ihre Geschichte. D.h. keine Rückholung von Velvet Under- ground, Polkas, Jodlern und Walzern »Heim ins Reich«, denn FSK sind keine Volkskundler, sondern Forschungsreisende in Sachen popular culture, denen es nicht darum geht, die Wurzeln des Rock’n’Roll im Bayrischen Wald zu lokalisieren. Ganz dem kybernetischen Prinzip der permanenten Revolte und Irritation (»Wir hassen deine Harmonie«) verpflichtet, sind sie Fährtensucher, denen es darum geht, Differenzen herauszuarbeiten anstatt im ideologisch bedenklichen Fahrwasser des »Authentischen«, »Wahren« und »Echten« den Kosmopoliten heraushängen zu lassen. Deshalb geht es hier auch immer um ein permanentes Gewusel, um Verknüpfungen, Diskontinuitäten und Ambivalenzen, kurz: um die Potentiale und Spannungselemente von Pop.

Und da macht man aus seinem Herzen keine Mördergrube, wenn »das dumme, dumme Ding, das man Privatleben nennt«, jeglichen politischen/philosophischen Diskurs obsolet erscheinen läßt, koppelt Free-Jazz mit Liebestrunkenheit & Yodeling (»Jodler für Sonny Sharrock«), reimt auf »Liebe« »Lotterie«, weiß, das »Heidegger heute beim Tanzen nicht ins Spiel paßt« (»Lieber ein Glas zuviel«), präsentiert Baudelaire nach der Lektüre von Walter Benjamin (»Die Seele ist ein Aschenbecher/Und alle Feuer glühen darin«) und setzt sich dialektisch mit Funkadelics »Move your ass and your mind will follow« auseinander.

In diesem Sinne: »Move ahead and your ass will follow« .