september 1995

Didi Neidhart
leitartikel

Zustand »Jugend«

»So wie die postdemokratische Gesellschaft nicht die Aufklärung vernichtete, sondern alles, was Aufklärung möglich macht, so vernichtet sie nicht die Revolte, sondern »Jugend« als ihren kulturellen Zustand.« (Georg Seesslen)

Mit der Jugend ist es schon ein Kreuz. Keiner weiß so recht, was sie will und sie selber kann auch nicht mir Sicherheit sagen, wer sie überhaupt will. Natürlich sind Jugendliche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und zukünftiges Wählerpotential, fallen jedoch diese Aspekte weg, so gibt es wenig bis überhaupt keine Skrupel, jene Jugendlichen, die an ihren eigenen Vorstellungen von »Kultur«, »Gesellschaft«, »Politik« basteln, einfach fallen zu lassen. Aus dem damit produzierten Futter für kleinformatige Gruselstories können dann, alternierend zur »Ausländerfrage«, leicht wieder sicherheitspolitische Wahlkampfparolen abgeleitet werden.

Dabei genügt allein ein Blick auf die Situation in Salzburg, um festzustellen, daß es garnicht mehr alleinig um »gesellschaftskritische«, »integrationsunwillige«, »radikale«, »dissidente« und sonstwie außerhalb dessen, was Marcuse die »repressive Toleranz« des Staates nannte, agierende Jugendliche geht, sondern »Jugend« als Ganzes einem massiven Repressionsapparat ausgesetzt ist.

Die angekündigte Rotstift-Aktion gegen die stadteigene Jugend-Service-Stelle zeigt dies nur zu deutlich. Was nicht dem »common sense« des Kulturressortleiters der Stadt Salzburg entspricht, wird einfach gestrichen bzw. so zusammengekürzt, daß eine effektive Arbeit, die ja nicht nur kulturelle, sondern auch soziale Aspekte hat, fast nicht mehr möglich ist. Somit stellt sich Kulturpolitik für Jugendliche beinahe wie eine Neufassung des Ödipus-Dramas dar, bei dem jedoch die Rollen vertauscht sind und das Drehbuch vom Vater verfasst wurde.

Dabei verwundert es auch überhaupt nicht, daß die Impulse dafür gerade aus jenem politischen (»Buberl«-)Eck kommen, wo man sich betont »jugendlich« gibt (Bungee-Jumping, Wahlkampftouren durch Discos) und »Kultur« gerne mitttels Biologie erklärt.