oktober 1995

gehört

URGE OVERKILL

Exit The Dragon(Geffen)

Die fünfte LP des Chicagoer Trios. Nach dem mit schweren psychedelischen Einflüssen, Soul-Elementen und gutem Songwriting veredelten poppigen Glam-Hardcore von »Jesus Urge Superstar« und »Americancruiser« ergingen sich UO in Seventies-Rock-Referenzen, nicht ohne ab und an auch den grungigen Headbanger heraushängen zu lassen. Schließlich tourten sie gemeinsam mit Nirvana, konnten aber mit ihrem Major Label-Debut »Saturation« (1993) nicht an deren (kommerzielle) Erfolge an-knüpfen.

Das ausgeprägte Stilbewußtsein (Samtanzüge, Goldmedaillons) samt dem dazugehörigen Camp-Sound erreichte mit ihrem Neil Diamond-Cover auf dem »Pulp Fiction«-Soundtrack den vorläufigen Höhepunkt.

Auch im üppigen und fetten Sound von »Exit The Dragon« ist der Einfluß von 70er und Früh-80er-Bands wie T.Rex, ZZ Top, Stones, Ramones, The Cars, Cheap Trick, Thin Lizzy, Survivor, Styx noch immer in jedem Riff spürbar. Alles hart-rockende Bands, irgendwo zwischen (Stadion-)Pomp-Rock, (Bar-) Power-Pop und melodiösem Punk.

Einige glitzernde Liedgutbei- spiele: »The Mistake«, ein distanzierter und ohne Weinerlichkeit auskommender Song über das Leben als (Möchtegern-)US-Rockstar, »Somebody Else’s Body«, ein Tour-Untreue-Blues, bei dem die Beatles auf Elvis Costello treffen, um den definitiven Power-Pop-Song aus dem Ärmel zu schütteln. Mit fortschreitender Dauer wird es jedoch immer ernster und dunkler, um mit »Digital Black/Epilog«, den wahren Höhepunkt zu erreichen. Eine Kirchenorgel, Streicher, Marschtrommeln, brutale Riffs und Sänger Nash Kato im Duett mit einer Soul-Diva machen daraus eine bedrohliche Hymne, die der englische NME »Gospeldelic« nannte.

UO ist eine stimmige Bündelung verstreuter Einflüsse gelungen, doch sind diese Stilperfektionisten mit ihrer kalkulierten Coolness längst keine rein parodistische Cartoon-Band mehr. Hier ist (fast) nichts mehr witzig gemeint. Die Frage aber bleibt, wer sie - mit ihrer Vergangenheit - jetzt noch richtig ernst nehmen wird. Dessen ungeachtet ein großer Wurf und folgerichtig » CD des Monats« im Schnaitl-Musik-Pub. Meint Euer

Original Schnaitl-Bert