oktober 1995

Thomas Neuhold
kommentar

ARBEIT SCHÜTZT VOR ARMUT NICHT.

Beispiele aus der Salzburger Schuldnerberatung

«Was sollen die mehr, als ihre 40 Stunden in der Woche arbeiten?« So bringt Mathias Reiter von der Salzburger Schuldnerberatung die Situation vieler seiner Klienten auf den Punkt. Auffallend sei, erzählt Reiter weiter, daß der Großteil der von ihm Betreuten einer geregelten Arbeit nachgehe und trotzdem »am Limit« lebe.

»Am Limit« heißt, daß in der monatlichen Haushaltsbudgetrechnung, ohne den fälligen Schuldendienst miteinzuberechnen, nach Verkauf aller Luxusartikel und Abzug des Sozialhilferichtsatzes für Bekleidung, Essen und Gesundheit (Überleben eben) unterm Strich Null oder ein Minus steht und damit kein Platz für Anschaffungen, Reparaturen etc. bleibt.

Im nüchternen Pressetext der Schuldnerberatung liest sich das so: »Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten kann beobachtet werden, daß Schulden immer mehr zu einem Problem auch der »Mittelschicht« - hier sind wieder besonders junge Familien und Alleinverdiener gefährdet - werden.«

Konkret:

• Ein vormals gut verdienender Angestellter erhält eine Pension von rund 15.500 Schilling. Gemeinsam mit einer kleinen Vertretertätigkeit seiner Gattin erreicht das Haushaltseinkommen knapp 17.000 Schilling monatlich. Allein die Miet- und Betriebskosten des älteren Ehepaares kommen auf 8.100 Schilling monatlich. Das Auto wurde ohnehin längst verkauft. Dennoch: Abzüglich Telefon und Lebenshaltungskosten bleibt den beiden ein monatlich frei verfügbares Einkommen von 1.400 Schilling. Gibt nun die ältere Dame irgendwann ihre kleine Nebenbeschäftigung auf, bleiben den zwei exakt null Schilling. Wohlgemerkt: Allfällige Verbindlichkeiten aus besseren, berufstätigen Tagen sind hier nicht eingerechnet!

• Beispiel zwei: Eine Angestellte und ein Arbeiter (keine Kinder, kein Auto!) kommen gemeinsam auf ein Haushaltseinkommen von rund 19.500 Schilling. Die Ausgaben (Wohnung, Telephon, Netzkarte und Lebenshaltungskosten nach dem Sozialhilferichtsatz) betragen 18.500 monatlich. Bleiben 1.000 Schilling im Monat. Auch hier: Allfällige Verbindlichkeiten nicht eingerechnet! Und was, wenn eine Reparatur in der Wohnung fällig ist?

• Beispiel drei: Ein Pärchen (kein Luxus, kein Auto) berappt für eine Wohnung 10.000 Schilling monatlich Kaltmiete. Ihnen und ihren zwei Kindern bleiben als frei verfügbares Einkomen 700 lächerliche Schillinge im Monat. Allfällige Verbindlichkeiten nicht eingerechnet!

• Beispiel vier: Ein Angestellter, geschieden und mit 19.000 im Monat gut verdienend, muß monatlich rund 10.000 Schilling Alimente für drei Kinder auslegen. Er kann sich, will er überleben, trotz eines guten Gehaltes nur ein möbliertes Zimmer leisten. Und sonst? Kein Auto, kein Radio, kein Fernseher, kein Telephon, keine Versicherungen, nichts!

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß natürlich alle geschilderten »Fälle« auch noch Schulden zu begleichen haben. Somit leben alle unter dem Richtsatz, unter dem Existenzminimum.