november-dezember 1995

zu gast

Fuckhead

Die Buchmacher der Gerüchtebörse hatten ja schon vor den SHUT UP & DANCE-Auftritt der Linzer Radikal-Performer FUCKHEAD alle Hände voll zu tun. Denn aus Linz und Wien wurden gar grausliche Geschichten über die Live-Aktionen der Band kolportiert. Von einem Sänger, der sich mittels unters Fleisch getriebener Haken an der Brust aufhängen läßt und von der Wiedergeburt des Wiener Aktionismus aus dem Geist brachialen Zwölfton-Hardcores war die Rede. Und so war auch an diesem Abend ein nicht geringer Teil des bunt gemischten Publikums zuallererst wegen etwaigen optischen Schockreizen anwesend. Ein Umstand, der sich vor allem an der Bar in Small Talks zwischen nervösem Bangen und Hoffen manifestierte.

Fuckhead sind diese ambivalenten Erwartungshaltungen seitens des Publikums sehr wohl bekannt, die Gefahren, dabei nur noch als reines Kuriositäten-Spektakel rezipiert zu werden, jedoch auch. Sänger Didi Bruckmayr dazu. »Die Geschichte mit den Haken war eine Grenzerfahrung, eine Erweiterung der Selbstdarstellung, die schwer weiterzutreiben ist. Durch ständige Wiederholung würde ich mich nur selber zum Kasperl machen und die Aktion wäre nicht mehr als ein Gag. Fuckhead sind bekannt für ihre Suche nach extremen Positionen. Gerade nach einem Auftritt, wo einem die Musik alles abverlangt hat und der Körper spürbar voller Adrenalin ist, sind die idealen Voraussetzungen dafür gegeben, krasse Zeichen zu setzen. Nur müssen das nicht immer dieselben Zeichen sein. Wir entwickeln uns ja auch weiter. Die Performance ist auf jeden Fall ein völlig gleichberechtigter Faktor neben der Musik. Sie bildet einen anderen Zugang zur Musik. Was wir aufführen, ist eine Art zeitgemäßes Schmierentheater. Es gibt eine gewisse dramaturgische Choreographie, die in Analogie zur Musik komponiert ist. Dazwischen es gibt aber auch Freiräume, in denen Interaktionen stattfinden können.«

Bei den akustischen wie optischen Gnackwatschen Fuckeads, die dem Begriff »Avantgarde« auch wieder seine gefährlichen Potentiale zurückgeben, greifen erfreulicherweise gewisse Distanzierungsstrategien nicht besonders gut. Fuckhead gehen an und unter die Haut. (Ton/Menschen-) Körper stellen sich in Frage, werden dekonstruiert und als unstabiles Etwas neu zusammengesetzt, nur um im nächsten Augenblick erneut zu ex/implodieren. Man kann auch modernes Entertainment dazu sagen. Die Aktion mit den verschluckten und wieder herausgewürgten Wäscheleinen war zwar nicht das voyeuristisch erwartete Mega-Extrem, dafür war sie eine umso quälendere, zähe Angelegenheit, die biergeschwängerte Magennerven erheblich in Aufruhr versetzte.