november-dezember 1995

Thomas Neuhold

EU: Bauarbeiter als Unternehmer

Salzburgs Bau-Gewerkschafter zittern vor EU-Billigarbeitern aus England und Portugal

Wer den Schaden hat, braucht sich ja bekanntlich um den Spott nicht zu sorgen. In Salzburg gibt man dieses Stück derzeit bei jedem Zusammentreffen zwischen Baugewerkschaftern und EU-KritikerInnen. Letztere fragen höflich nach dem Befinden der britischen Kollegen, oder ob der nächste Urlaub nach Portugal führe, die Gewerkschafter wiederum verziehen nur säuerlich das Gesicht und winken mit der Maurerkelle. Über Monate hin haben die diversen Funktionäre alle Warnungen in Sachen Lohn- und Sozialdumping durch den EU-Beitritt in den Wind geschlagen und sich willfährig vor den sozialdemokratischen Beitrittskarren spannen lassen. Persönlich besonders schmerzhaft für die obersten Bauarbeiter ist, daß gerade die Grünen - spätestens seit Hainburg die personifizierten Antichristen aller Maurer - mit ihren Warnungen recht behalten haben.

Die Schadenfreude, der sich die Funktionäre der Bau- und Holzgewerkschaft jetzt ausgesetzt sehen, ist aus Sicht der EU-GegnerInnen durchaus begründet. Ende September dieses Jahres wurden auf der Stadt-Baustelle »Mozarthof« 23 britische Bauarbeiter gesichtet. Die »Kollegen« aus England waren billig und scherten sich einen Dreck um Kollektivverträge oder Arbeitszeitgesetze. Und was am schlimmsten war: Arbeiterkammer und ÖGB waren zum Zusehen verdammt. Jeder einzelne Bauhackler fungierte als sein eigener Einzelunternehmer. Rechtliche Handhaben etwa über den Kollektiv-vertrag gibt es da keine. Wenn dieses Modell Schule mache, seien auf den heimischen Baustellen massenhaft Arbeitsplätze gefährdet, warnte Salzburgs Bau-Holz-Chef Wolfgang Rainer.

Entwarnung: Vorerst einmal aber hatten Salzburgs Baugewerkschafter mehr Glück als Verstand. Die 23 Briten lieferten Pfusch, sie mußten aufgrund gravierender qualitativer Mängel ihrer Arbeit das Feld räumen. Doch auch im ÖGB-Haus weiß man, daß der Pfusch-bedingte Friede nicht lange halten wird: Allein in der BRD arbeiten 80.000 britische Taglöhner am Bau; alle nach dem Modell: jeder für sich ein Unternehmer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Welle nach Salzburg überschwappt.

Längerfristig rechnen sich die Bau-Holz-Funktionäre sogar Chancen aus, dem unsozialen britischen Modell gerichtlich begegnen zu können. Eine Beschäftigung von solchen »Unternehmern« sieht der österreichische Gesetzgeber immer noch als »Umgehung« der Gesetze an. Fraglich ist freilich der Zeitrahmen, in dem solche Klagen erfolgreich sein können und vor allem auch, ob das Strafmaß für den Bauherren tatsächlich eine Drohung darstellt.

In einem anderen Fall freilich gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten: Portugiesische ArbeitnehmerInnen werden über ein Büro in Lissabon angeworben, völlig legal nach Österreich importiert und hier beschäftigt. So weit, so gut. Offen bleibt aber, wie die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Ein Beispiel: Für Gewerkschaftssekretär Andreas Huss ist es offensichtlich, daß die Sicherheitsvoraussetzungen für die Kollegen aus Portugal nicht erfüllt werden. Diese können kein Wort Deutsch, die gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitseinweisung (Helm-pflicht...) bleibt daher eine Farce, da der Bauleiter und der Polier sich nicht verständlich machen können. »Wenn der Kollege aus Portugal das nicht einklagt, was sollen wir tun?«, so Huss. Ähnliches gilt natürlich auch für Sozialversicherungsbeiträge oder Steuerabgaben.

Wie war das noch gleich mit dem EU-Beitritt? »Wir wurden in vielen Fragen nicht richtig informiert und auf Begleitgesetze vertröstet«, meint Huss. Von wem? »Von Staatssekretärin Ederer«.