november-dezember 1995

GastautorIn

Vom Sparen und volkstümlichen Vereinfachungen

Bei einem Kulturbudget unter der Ein-Prozent-Marke ist eigentlich nichts zu holen

»Wir« verpulvern alle zuviel Geld, deswegen müssen »wir« uns jetzt eine zeitlang zusammenreißen, sparen , um später wieder was verpulvern zu können. Diese Appelle an das schlichte Gemüt des »kleinen Mannes« prägt zur Zeit das Niveau der Budgetpolitik. »Wir« sollen alle eine Volksgemeinschaft von lauter kleinen Sparefrohs werden, um glücklich zu werden. Eine komplexe Volkswirtschaft wird in das Schema primitiver Familienhaushaltskriterien von mäßig verdienenden Lohnabhängigen gepreßt; selbst diese Mikrohaushaltspolitik funktioniert nicht so, schon gar nicht die »Budgetpolitik« der reicheren, besitzenden Familien. Sinn und Zweck dieses Sparpopulismus ist es, Verunsicherung zu betreiben, den breiten Bevölkerungsschichten Sand in die Augen zu streuen, Vermögens- und Einkommenshierar- chien zu verschleiern, um sie gefügig zu machen für ein einfaches materielles aber auch geistig ideelles Leben. Traditionelle, konservative, einfache Werte wie Familie, Anständigkeit, Einordnung, Fleiß, Heimat usw. sollen wieder das Lebensfundament werden; es geht wieder um was Größeres, Höheres, Ganzes, dem das Individuum seine »profanen«, eigenwilligen Bedürfnisse opfern soll. Diese »Anspruchsgesellschaft« können »wir« uns nicht mehr leisten. Diese Budgetpolitik wird bereits von den wertekonservativen und rechtspopulistischen Kräften bestimmt, die Sozialdemokratie ist mehr vom strukturellen Sparen angetan und wehrt sich gegen zu offensichtliche Beeinträchtigungen für ihre Klientel, aber hat grundsätzlich keine andere budgetpolitische Perspektive anzubieten. Maßnahmen anderen Charakters, einnahmenseitige wie Solidarabgabe oder Steuererhöhungen für Viel- und Besserverdienende werden zwar auf SPÖ-Parteitagen diskutiert, auf dem Weg zur Umsetzung werden sie aber auf dem Altar der innenpolitischen Konstellation der Angst vor einer schwarzblauen Regierungskoalition geopfert. Die Ironie der Geschichte ist, daß vor dem EU-Beitritt der Bevölkerung das Blaue vom Himmel versprochen wurde. Daß das »Blaue« aber in Form von Haider zurückkommt, wurde in der Euphorie verdrängt. Eine unmittelbare Hauptursache für die populistische Sparpolitik sind die Kosten für den EU-Beitritt von ca. 50 Milliarden, was der Bevölkerung aber nicht offen gesagt werden kann, weil man sonst als unglaubwürdige Plaudertasche dastehen würde; so müssen halt demagogisch »die Lehrer«, »die Frühpensionisten«, »die Studenten« usw. als Sündenböcke herhalten.

Die ÖVP will dabei doppelt absahnen; einerseits, indem sie von der politischen Zeche für ihren EU-Hurra-Optimismus möglichst wenig abbekommt - sie hat geschickt den EU-Heiligen Mock aus dem Verkehr gezogen - und gleichzeitig sich demagogisch als »die« Sparpartei profiliert, wo die Zeche die breite Bevölkerung zu zahlen hat; indem sie andererseits durch einen ideologischen Rechtsruck erfolgreich im populistischen Haider - Revier herumgrast Haider muß nicht im ersten Anlauf gleich selbst Kanzler werden, wenn überhaupt; er begnügt sich auch damit, daß inhaltlich wer anderer seine Politik vertritt und be-treibt. Soweit ist Haider Meta-Politiker, das er’s nicht immer selber machen muß.

Auf der Länder- und kommunalen Ebene wird mit einigen Ausnahmen budgetpolitisch weniger Aufsehen erregt , entsprechend der spezifischen Budget-eigenlogik wird hier tendenziell mit ähnlichem Muster gestrickt.

Budgetpolitisch gab es in bezug auf das Kulturbudget auf Bundesebene öffentlich keine erregenden Auseinandersetzungen, was einerseits »dem budgetären unter ein Prozent Anteil vom Gesamtbudget«- Stellenwert der Kultur geschuldet ist, und andererseits, weil hier auf die großen Brocken bezogen, nichts zu holen ist.

Bezüglich der freien Szene, kann insgesamt von einem Stillstand mit degressiver Tendenz gesprochen werden, mit regional und lokal drastischen Einbrüchen wie Innsbruck, Salzburg und anderen Orten. Die Szene zeichnet zwar eine schier unermüdliche Mobilisierung innerer Ressourcen und flexibles Reagieren aus, aber viele sind bereits an der Grenze, wo die Infrastruktur zusammenzubrechen droht, ganz abgesehen einmal von den persönlichen Überanspannungen.

Die Kunst- und Kulturkreise sind für diesen Sparpopulismus aufgrund ihres direkten, meist unwürdig abhängigen Bezugs zum Staat, den Gebietskörperschaften und deren Verwaltungen spezifisch selbstbeschränkend anfällig. Die meisten Politiker und Beamten mit ihrem gönnerhaften Verhältnis zur Kultur haben Aufwind und lassen deutlicher spüren, daß es schon von ihnen sehr persönlich abhängt, ob der »Luxus« Kultur noch weiterhin finanziert wird. Mit der freien Szene ohnehin nie sehr glücklich, weil sie zuwenig berechenbar, zuwenig faßbar und für die eigene Politik zuwenig verwertbar war, wird sie in Zukunft mehr nach ihrer zeitgeistigen Inszenierungsdienlichkeit abgeklopft werden oder den rechtspopulisten Kulturfeinden zum Fraß überlassen. Ungleichzeitigkeiten, unterschiedliche Niveaus auf Bundes- Landes- oder kommunaler Ebene sollten uns nicht verwirren und den Blick auf die generelle Tendenz verstellen, schon gar nicht sollte sich die Szene entsolidarisieren oder gar spalten lassen. Die Kulturszene aufgrund ihrer immanenten Eigenwilligkeit, lokalen und regionalen Bezogenheit ohnehin schwer zu solidarisieren, bedarf einer Intensivierung ihrer Zusammenarbeit, einer Konzentration auf die gemeinsamen Interessen.

Franz Primetzhofer ist Obmann der IG Kultur Österreich