november-dezember 1995

Thomas Neuhold

Vom Revolutionskaffee zum alternativen Handel

EZA bietet seit 20 Jahren dem Welthandel die Stirn

Was waren das für Zeiten: Wir saßen in Komitees und Initiativgruppen, engagierten uns für Lateinamerika und Nicaragua. Als praktisches Zeichen unserer Solidarität mit dem Volk Nicaraguas und seiner sandinistischen Avantgarde gab's Nica-Kaffee; Revolutionskaffee aus dem roten (!) Packerl, gekauft im »Dritte-Welt-Laden«. No Pasaran!

Heute ist das Nica-Kaffeepackerl längst nicht mehr rot, dafür steht als »Message« auf der ethno-gestylten Packung »gehaltvoll« drauf. Nach der Abwahl der Befreiuungsfront FSLN im Jahr 1990 ist das Modell Nicaragua dahin; nur mehr ganz wenige engagieren sich heute noch für Lateinamerika, denn Kuba ist jenen, denen der Nica-Kaffee eigentlich auch immer schon »zu stark« war, viel zu rot.

Jene aber, die damals begannen, uns mit der koffeinhaltigen Revolutionsbohne zu versorgen, jene gibt es immer noch. Heuer im Herbst feiert die Firma »Entwicklungszusammenarbeit mit der Dritten Welt GesmbH.« (EZA) in Salzburg-Bergheim ihren 20. Geburtstag. »Die Sozialromantiker von damals sind aus Latzhose und Sandalen herausgewachsen«, so EZA-Geschäftsführer Jean-Marie Krier. Die Zahlen der alternativen Handelsfirma sprechen für sich: Über 95 Handelspartner aus 30 Ländern der südlichen Hemisphäre, die rund 3.000 Menschen Arbeit geben, beliefern die EZA, die mit ihren 35 Angestellten einen Jahresumsatz von 70 Millionen Schilling erwirtschaftet.

Prinzipien und Ziele sind trotz ökonomischen Wachstums gleichgeblieben. Den Produzentengruppen werden faire Preise weit über dem Weltmarktniveau bezahlt. Die meist in Kooperativen organisierten Bauern und Handwerker sollen so Gelegenheit erhalten, ihre wirtschaftliche Situation zu stabilisieren sowie Bildungs- und Infrastrukturprojekte zu finanzieren.

Oft geht es aber einfach nur ums nackte Überleben. Für die peruanische Kooperative »Kamaq-Maki - Schöpferische Hand« beispielsweise war der nationale Markt durch die politisch angespannte Lage in Peru zusammengebrochen. Die Produkte aus Alpacawolle der 350 »Kamaq-Maki«-Familien fanden jahrelang nur über die EZA zu potentiellen Käufern im Ausland. Oder Nicaragua: Ab 1979 strömten unzählige Soldaritätsgruppen - und mit ihnen natürlich auch Dollar, Mark und Schillinge - ins Land. 1990 war er dann aus, der Traum vom revolutionären Nicaragua. Über die Handelsbeziehungen der EZA ist für viele Kleinbauern zumindest eine gewisse ökonomische Kontinuität gewährleistet.

Vertrieben werden die Produkte der EZA - neben Handwerkserzeugnissen dominieren mit zwei Drittel des Umsatzes die »klassischen Kolonialprodukte« Kaffee, Tee, Kakao und Gewürze - über 70 »Weltläden« in ganz Österreich. Daneben engagieren sich etwa 600 - überwiegend christlich motivierte - Aktionsgruppen mit etwa 10.000 Aktivist- Innen für den Verkauf von Marken wie »Jambo-«, »Pueblo-« und natürlich immer noch »Nica-«Kaffee.

Wie weit aber EZA Sandalen und Latzhosen hinter sich gelassen hat, zeigt die immer engere Kooperation mit professionellen Abnehmern. In Tirol beliefert EZA bereits jetzt die Supermärkte der »M-Preis«-Kette mit Kaffee. Über den Verein »Trans-Fair« wird zudem versucht »entwickungspolitisch verträglichen Kaffee und Tee« auch über große Handelsketten an die Koffeinkonsumenten zu bringen. Derzeit sind »Trans-Fair«-Produkte bereits in 2.000 österreichischen Geschäften (überwiegend »ADEG«-, »A&O«- sowie »Nah&Frisch«-Filialen) erhältlich. Mit »Merkur« ist ein Testlauf vereinbart.

Insgesamt liegt der alternative Handel hierzulande mit einem Marktanteil von nur 0,5 Prozent weit unter dem europäischen Durchschnitt. Entwicklungspolitische Musterschüler sind die Schweizer Konsumenten: Dort erreicht der faire Handel einen Marktanteil von fünf Prozent; europaweit werden jährlich im Marktsegment »alternativer Dritte-Welt-Handel« rund 2,6 Milliarden Schilling umgesetzt. Nicht viel in Anbetracht des gesamten Welthandelvolumens. Sehr viel aber für die jeweiligen Produzenten, und möglicherweise auch ein Modell für die Zukunft, um aus dem Regelkreis Ausbeutung-Armut-Überbevölkerung-globale Umweltzerstörung ausbrechen zu können.