november-dezember 1995

Gerald Gröchenig

»Heiße Heimat« - ein Resümee zum »Festival der Regionen«

Mit dem »Festival der Regionen« ist Oberösterreich in kulturellen Belangen den anderen Bundesländern wieder einen Schritt voraus

Während man unsererorts mit immer neuen Kulturkürzungen konfrontiert wird, fand unweit der Landesgrenzen das »Festival der Regionen« heuer zum zweiten Mal statt. Nach dem heurigen Erfolg dürfte die Etablierung dieses Festivals alle zwei Jahre - abwechselnd mit den Landesausstellungen - gesichert sein.

Begonnen hat alles damit, daß sich einige Kulturschaffende nach Innovationsimpulsen für das dichte Netz von Kulturinitiativen und -vereinen Oberösterreichs gesucht haben. Man kam auf die Idee, ein landesweites Festival zu einem Schwerpunktthema zu veranstalten. Dazu konnte jeder Projekt-ideen einreichen, die im herkömmlichen Programm kaum oder schwer zu realisieren waren. Eine unabhängige Jury übernahm dann die Aufgabe, aus den Einreichungen die zu realisierenden auszuwählen. Das erste Festival fand 1993 zum Thema »Das Fremde« statt, zum heurigen Schwerpunktthema »Heiße Heimat« wurden immerhin 200 Projekte eingesandt.

Was soll damit erreicht werden

Die Projektentwickler sind allerding gefordert: Ein umfangreicher Zielkatalog ist zu berücksichtigen. Die Projekte sollen regionale Bezüge haben und sollen vor Ort ein breites Publikum motivieren, mitzudenken und mitzutun. Bei den Veranstaltungen sollen unterrepräsentierte und neue Kunstformen forciert sowie ein Bogen zwischen Tradition und Avantgarde gespannt werden. Entstehungsprozesse von zeitgenössischer Kunst sollen transparent gemacht, dadurch Schwellenängste vor Ort abgebaut und ein neues Publikum erreicht werden. Letztendlich sollte jedes der Projekte eine meßbare Veränderung des Zugangs zur Kunst in der speziellen Region hinterlassen.

Die Projekte und ihre Wirkungen

Allgemein kann gesagt werden, daß die Konzeptionen in diesem Jahr aufgegangen sind. Neue künstlerische Kooperationen wurden geschaffen - Künstler, Kulturinitiativen und Kulturorganisationen (ein Großteil Mitglieder der KUPF) fanden für ihre Projekte Partner wie Feuerwehren, Blasmusikkapellen, Goldhaubenfrauen, die Landjugend, Ortsbauernschaften u.v.a.. Dabei handelte es sich durchaus um Kunstprojekte mit hohen qualitativen Ansprüchen. Am besten läßt sich das an Beispielen erklären:

• In Garsten bespielte Beda Percht samt Cataracts gemeinsam mit mehr als 200 Akteuren (Tänzern, Sensenmähern, Traktorfahrern) der OÖ. Landjugend ein 40.000m2 großes Feld zum Thema Landschaftsgestaltung bzw. Eingriff des Menschen in die Natur. Diese Landschaftsinszenierung war für viele der Akteure und der 1.000 Zuseher sicher die erste Auseinandersetzung mit moderneren künstlerischen Ausdrucksformen.

• In einer Autobahnunterführung bei Inzersdorf wurde »Bauern sterben« von F. X. Kroetz in Szene gesetzt und ob der regionalen wie sozialen Bezüge vor allem von Bewohnern vor Ort überlaufen (u.a. von Bäuerinnen, die seit Jahren bei keiner öffentlichen Veranstaltung mehr gesehen wurden).

• In Ried im Traunkreis inszenierte eine aus dem Ort stammende Künstlerin unter dem Titel »Heimat...ein Bauch« im letzten intakten Vierkanthof eine Installation darüber, wie sie im Ort »Heimat« und »Jugend« erlebt hat. Bei der Vernissage sprengte ein Publikum aus Kunstinteressenten und örtlicher Bauernschaft den Fassungsraum des Innenhofes. Der Pfarrer machte die Räume, Objekte, Klang-, Film- und Videoinstallationen der Ausstellung zum Thema seiner Sonntagspredigt und wies auch darauf hin, Anstößiges als Anstoß zum eigenen Nachdenken zu akzeptieren.

• Eines der drei Großprojekte spielte sich in der VOEST ab. Auf einer anderthalbstündigen Fahrt mit der Werksbahn wurde mittels Installationen, Musikeinspielungen und Theater an den Ort St. Peter erinnert, 1938 für den Bau der Hermann Göring Werke geschleift. Das Publikum: Kunst- und Theaterfreunde, VOEST-Arbeiter, Lehrlinge, Ausländer aus den Flüchtlingsheimen (Bewohner des Hauses in der Lunzerstraße waren an der Aufführung beteiligt).

• Pro Brass erarbeitete mit fünf örtlichen Musikkapellen ein Programm über Brauch- und Mißbrauch von Marschmusik und brachte dies u.a. in schwer belasteten Orten wie der Rieder Turnhalle zur Aufführung.

• Neun deutschsprachige Cartoonisten (von Titanic, Pardon, Die Zeit, Spiegel, Profil, Falter,...) fuhren zwei Wochen durch OÖ und brachten ihre Eindrücke zu Papier - einige Beispiele daraus sind als Illustration zu sehen.

• Dazu gab es noch Videoinstallationen, ein virtuelles Heimatmuseum, Foto- und Architekturausstellungen, Großbildprojektionen auf Marktplätzen, ein Tanztheater, das neben Hip Hop und Rap auch auf oberösterreichischem Dialekt basierte, und und und. An den 17 Tagen des Festivals fanden 140 Veranstaltungen an 53 Orten statt. Ca 30.000 Personen haben sich die Denkanstöße zum Thema »Heiße Heimat« angesehen, an die 1.000 Personen waren als Mitwirkende bei den Aufführungen beteiligt.

Neben vielen anderen Aspekten war das Festival ein konkreter Ansatz dafür, wie man von seiten der Kulturschaffenden mit der Stimmungsmache gegen moderne Kunstformen, wie sie die oberösterreichische F-Partei gerade betreibt, umgehen kann. Neben der Qualität stand die Kunstvermittlung im Vordergrund; je transparenter man Produktionsprozesse und Inhalte gestalten konnte, desto größer war die Akzeptanz vor Ort - auch an den Stammtischen. In zwei Jahren findet das nächste Festival statt. Vom Konzept her wäre eine Ausweitung auf andere Bundesländer jederzeit

möglich.

Publikationen zum Festival:

»kursiv« 2-2/95 »Heimat (1) - eine Kunstzeitschrift aus Oberösterreich

Anläßlich des Festivals der Regionen 1995 zum Thema »Heiße Heimat«. Über Heimat und Hölle, wieviel Heimat braucht der Mensch, Muttersprache, Migration u.v.m., mit Beiträgen von Herbert Achternbusch, Günter Brus, Anna Mitgutsch, Paul Parin, Katharina Pewny, u.a.

öS 100,— im Fachhandel

Katalog

»Festival der Regionen« 1995

172 Seiten, detaillierte Informationen zu Projekten und

Künstlern, öS 150,—

Bestellung Tel. 07248/362910

Oberösterreichische Heimat Cartoons

von Greser, Hurzlmeier, Klein, Kuschel, Mette, Much, Peng, Pürstel, Rattelschneck. 9

Cartoonhefte in einer Kasette,

öS 250,—, Bestellung

Tel : 07246/2071