november-dezember 1995

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»Tausche bildhübsches Brautkleid gegen Pistole!«

Die letzten fünf autonomen Frauenprojekte der Stadt Salzburg stehen unter massivem Druck

In den letzten Wochen überstürzen sich die politischen Ereignisse. Aufgrund des Scheiterns der Koalitionsregierung und der Unsicherheit der politischen Zukunft der Republik geraten andere Probleme leicht aus dem Blickfeld. Dies zeigt sich auch darin, daß aktuell auf kommunaler Ebene die vorangetriebenen Kürzungen und Streichungen in sozialen und kulturellen Bereichen kein Thema mehr sind. Vor einigen Wochen hingegen gingen die Wogen an der Salzach hoch, als der geplante Maßnahmenkatalog für das Budget der Stadt vorgestellt wurde. Interessant hierbei ist, daß die geplanten 400 Millionen Schilling an Einsparungen vor allem auf Kosten sozialer und kultureller Gruppen durchgesetzt werden sollten. Die Palette an Streichungen bzw. drastischen Kürzungen reicht vom Behindertenbeauftragten der Stadt über einzelne Kultur- und Sozialinitiativen bis hin zu Betreuungsdiensten für ältere Menschen. Besonders radikal sind die geplanten Vorhaben im Bereich frauenspezifischer Einrichtungen und Institutionen. So sollten neben der ersatzlosen Streichung des Frauenbüros der Stadt Salzburg auch die ohnehin bereits geringen Subventionen für frauenspezifische Sozial- und Kulturprojekte massiv beschnitten werden. Die letzten fünf in der Stadt verbliebenen autonomen Frauenprojekte (Frauenhaus, Frauentreffpunkt, Frauenkulturzentrum, Frauen-Notruf und VIELE -Interkulturelles Zentrum für Frauen) stehen seit Amtsantritt von Bürgermeister Josef »Pepi« Dechant (ÖVP) permanent unter politischem und finanziellem Druck. Das Frauenkulturzentrum beispielsweise mußte schon im vorigen Jahr das Kultur- und Kommunikationszentrum aufgrund der Sparmaßnahmen schließen und bestreitet die Arbeit - »natürlich« größtenteils ehrenamtlich - auf Basis minimalisierter Infrastruktur. Damit gibt es im gesamten Bundesland keinen einzigen Kultur- und Kommunikationsort mehr, der Frauen vorbehalten ist. Begründet wurden diese Ein-sparungen von seiten des Bürgermeisters mit der zynischen Feststellung, Frauenkultur sei eine Kultur von/für Randgruppen (!).

Auch die Situation der vier anderen autonomen Fraueneinrichtungen, die u.a. unverzichtbare präventive und beratende Tätigkeiten ausüben, ist prekär: Budgetkürzungen (auch von seiten des Landes) machen die Arbeit in diesen Institutionen fast unmöglich.

Die geplante Streichung des Frauenbüros war so nur die logische Folge dieser Politik, das Frauenbüro selbst war der Stadt nie ein sonderliches Anliegen. Diese Ignoranz in bezug auf frauenpolitische Anliegen zeigt sich hier in der mangelhaften personellen und finanziellen Ausstattung ebenso wie in der fehlenden rechtlichen Absicherung (keine Weisungsfreiheit, kein Vetorecht uvm.) des Frauenbüros. Die geplante Streichung des Frauenbüros ist als Fortschreibung der kommunalen Attacke gegen Fraueninteressen zu verstehen. Massive Proteste unterschiedlichster Frauenorganisationen (von den autonomen Frauenprojekten über den Verein der AlleinerzieherInnen bis hin zu einer katholischen Frauenbildungseinrichtung) und von Einzelfrauen waren die Folge. Die Schließung des Frauenbüros konnte zwar verhindert werden, gekürzt wurde aber trotzdem, da eine Planstelle nicht mehr besetzt wird. Die Entscheidung hinsichtlich der übrigen Kürzungen steht noch aus.

Die aktuell wieder sehr massiv gegen Frauen und ihre Interessen gerichteten Maßnahmen - sowohl auf kommunaler, regionaler wie nationaler Ebene - schreiben die Politik des Kampfes um Verfestigung der männlichen Hegemoniestellung fort. So wie in anderen Städten bzw. Bundesländern Österreichs blieb bis jetzt diese konkret an den Interessen der Frauen orientierte Politik auf Nischen der Gesellschaft reduziert.

Diese »Nischenpolitik« findet auf zwei Ebenen statt: Zum einen sind dies die autonomen Frauenprojekte, die unter unzumutbaren Umständen - nicht verankert, aufgrund fehlender längerfristiger Verträge ökonomisch nicht abgesichert - arbeiten müssen. In ihrer gesellschaftlichen Notwendigkeit und Wichtigkeit nicht anerkannt, wird diese Arbeit von Frauen für Frauen abgewertet und lächerlich gemacht. Selbstausbeutung war/ist die logische Folge.

Die zweite Nische bildet die institutionalisierte Frauenpolitik, die letztlich ebenso der Systemkosmetik und der Befriedung von Frauen dienen soll wie das halbherzige Subventionieren von Frauenprojekten. In diesem Bereich hat es zwar Fortschritte und Erfolge gegeben (das erste Gleichbehandlungsgesetz wurde 1979 beschlossen und inzwischen dreimal reformiert, seit Anfang der 90er Jahre gibt es ein Frauenministerium, diverse Frauenbeauftragte auf kommunaler und Bundes-landebene wurden eingesetzt, Gleich- behandlungskommissionen wurden installiert uvm.). Diese Erfolge - im autonomen wie auch im institutionalisierten Bereich - dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es dem politischen Macht- und Herrschaftssystem dabei weder um emanzipatorische Frauenpolitik noch um umfassende Gleichstellung der Geschlechter in allen Belangen des ökonomischen, sozialen und kulturellen Lebens gegangen ist.

Die beispielsweise in Salzburg seit zwei Jahren stattfindende Demontage im Bereich von frauenspezifischen Initiativen und Projekten ist nur die Spitze eines kulturellen »Eisberges« an sehr intensiv betriebener frauenfeindlicher Politik. Dies wird im Eifer der kurzfristig erfolgreichen Solidarisierungen leicht aus dem Blick verloren.

Die Lebenssituation von Frauen in Österreich ist nach wie vor von mannigfaltigen Diskriminierungen und Benachteiligungen geprägt, wie folgende Beispiele verdeutlichen:

• Lohn: Frauen verdienen im Durchschnitt 30% weniger als Männer, bei den Angestellten beträgt die Differenz fast 40%.

• Arbeitsplätze: Obwohl die Zahl der erwerbstätigen Frauen kontinuierlich steigt (1993 sind 62% der Frauen zwischen 15 und 60 Jahren erwerbstätig), arbeiten sie mehrheitlich in sogenannten »Frauenberufen« und besetzen untere hierarchische Positionen mit geringerer Qualifikation und mit schlechteren bzw. keinen Aufstiegs-chancen. Diese Arbeitsplätze sind außerdem von Rationalisierungsmaßnahmen besonders bedroht.

• Armut: 62% all jener Personen in Österreich, die weniger als öS 10.000,— verdienen, sind Frauen. Das Nettohaushaltseinkommen von Alleinerzieherinnen liegt bei öS 8.500,—.

• Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosenquote von Frauen liegt mit 6,9% über jener der Männer. Das durchschnittliche Taggeld bei Arbeitslosigkeit beträgt bei Männern 1993 öS 313,—, bei Frauen hingegen nur öS 232,—.

• Bildung und berufliche Tätigkeit: Deutlich mehr Männer (53%) als Frauen (31%) haben eine Lehre abgeschlossen. Nur 28% jener Frauen, die eine berufsbildende Schule abgeschlossen haben, arbeiten als Facharbeiterinnen, bei ihren männlichen Kollegen sind dies immerhin 55%. Obwohl der Frauenanteil bei Universitätsabschlüssen inzwischen rund 45% beträgt, sind lediglich 3% der ProfessorInnen und 19% der UniversitätsassistentInnen Frauen.

• Kinderbetreuung gilt in Österreich nach wie vor als Aufgabe der Frauen. Obwohl seit 1990 Mütter wie Väter Karenzurlaub (insgesamt zwei Jahre) in Anspruch nehmen können, zeigt dies in der Realität keine Wirkung: 1993 stehen 116.784 Frauen lediglich 920 Männer gegenüber. Gleichzeitig fehlen in Österreich an die 200.000 Kindergartenplätze für Kinder unter 6 Jahren. Trotzdem unterbrechen ca. 42% der erwerbstätigen Frauen bei der Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit. Ein Drittel der ausgestiegenen Frauen schafft den Wiedereinstieg nicht mehr. Für die anderen Berufsrückkehrerinnen gilt, daß sie oftmals unter ihrer Qualifikation eingesetzt werden, auf Teilzeitbasis arbeiten müssen und damit ebenfalls massiv von Armut bedroht sind.

Vor diesem Hintergrund erscheint es um so skandalöser, daß in den politischen Diskussionen der jüngsten Zeit gerade Frauen als »Schmarotzerinnen« des Wohlfahrtsstaates dingfest gemacht werden sollen. Die Debatte rund um das zweite Karrenzjahr ist nur ein Beispiel dafür, wie diese Verkehrungen funktionieren und Frauen als Verursacherinnen der Explosion des Budgetdefizites verantwortlich gemacht werden. (Wie wäre es damit, sich einfach einmal ehrlich einzugestehen, daß mann sich bei der EU ordentlich verspekuliert hat oder - und das ist weitaus schlimmer - daß die österreichische Bevölkerung bewußt falsch über die Kosten informiert wurde?)

Zusammenfassend muß festgehalten werden, daß es aktuell für Frauen um sehr viel geht: Abgesehen davon, daß die strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen ohne Widerruf weitergeführt wird, sollen weitere Beschneidungen vorangetrieben werden. Die Zielrichtungen des Sparpakets I wie auch des nun diskutierten zeigen deutlich, daß Frauen unterschiedlicher sozialer Verankerung in hohem Maße als Zielscheibe der »Sparefrohs« fungieren. Aktuell herrscht das Diktat zu sparen, ohne daß dabei althergebrachte Strukturen angetastet werden dürfen. Das Motto »Sparen - koste es, was es wolle« gilt als alleinige Problemlösungsstrategie. Nicht diskutiert wird jedoch, daß eine grundlegende Umstrukturierung der gesellschaftlichen Ressourcen nötig ist, daß eine Umverteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit (zwischen den Geschlechtern) und eine Umverteilung der gesellschaftlichen Mittel (zwischen den hierarchisierten Bevölkerungsgruppen wie auch zwischen den Geschlechtern) ansteht.

Für Frauen heißt dies, daß nur sie selbst diese Machtfrage stellen können. Das herrschende männlich-geschlossene System hat kein Interesse daran, seine Basis - die strukturellen Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse - in Frage zu stellen und auf ökonomische, soziale und kulturelle Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken. Die aktuelle Diskussion in Salzburg rund um die Gründung einer Frauenpartei ist vor diesem Hintergrund zu sehen.

Birgit Buchingerund

Ulli Gschwandtner sind

Mitarbeiterinnen des

Instituts für Alltagskultur,

Zentrum für angewandte

Sozial- und Kulturforschung