jänner-februar 1996

Didi Neidhart

Diagonale - Die Dritte

Im Dezember 1995 überkam Salzburg zum dritten Mal die »Diagonale - Festival des österreichischen Films«. Szenen von Didi Neidhart, Harald Friedl und Thomas Neuhold.

Fred Zinnemann

Die Ära Waldheim ist endlich vorbei und trotzdem hagelt es schon wieder internationale Absagen an die Adresse Österreichs. Starregisseur Fred Zinnemann, dessen Klassiker der Filmgeschichte wie »The Day of the Jackal« oder »High Noon« bei der »Diagonale«-Retrospektive zu sehen waren, hat sich entschuldigen lassen. Selbst wenn sein Arzt ihm die Reise an die Salzach erlaubt hätte, wäre er nicht in ein Land gereist, in dem jeder Vierte eine Partei wählt, die sich nicht von jenen distanziert, die seine Eltern ermordet haben, so Zinnemann.

Apropos Retrospektive: Diese wird heuer Alexander Korda gewidmet sein.

Hypermedia

Eine politische Konfrontation der ganz anderen Art brachte der Arbeitskreis »Hypermedia«. In einem Positionspapier richteten die Vorreiter in Sachen Cyberspace ihre Forderungen an Politik und Administration, damit die Computer-Spezialisten nicht immer nur als »bessere Nintendo-Spieler« betrachtet werden. Der Arbeitskreis geht beispielsweise von einem »Grundrecht auf Information« aus. Das heißt: So wie es einen allgemeinen Zugang zu Bibliotheken gebe, müßten im digitalen Zeitalter öffentliche Institutionen kostenlos vernetzt werden. Darüber hinaus bedürfe es dringend einer Bildungsoffensive; frei nach dem Motto: »Der souveräne Umgang mit der Maus ist genauso wichtig wie die Orientierungs- und Handlungsfähigkeit im Cyberspace.«

Da freute sich der neue Intendant Heinrich Mis: »Wir haben Strukturen geschaffen, die konstruktive Vorschläge entwickeln können.«

Die Eidgenossen

Die Dokumentation »Signers Koffer« des Schweizers Peter Liechti zeigt die Aktionen und die Lebensphilosophie des Künstlers Roman Signer. Wunderbar! Signers Kunst »mit Zündschnur und Rakete« spielt mit den Elementen, sie arbeitet mit Gravitation, Thermodynamik und Pyrotechnik. Die Inszenierungen bringen das Publikum zum Erstaunen wie der Christbaum oder der Zirkus das Kind. Sie sind gegenständliche Witze, beschreibbar zwar, aber unvermittelbar. Nur erfahrbar. Roman Signer hat's erfaßt: das Leben ist für den Glücklichen ein ausgelassenes Spiel.

Auch nach der dritten »Diagonale« gilt: Der Ländervergleich bleibt einer der wichtigsten Punkte im »Diagonale«-Konzept. Heuer sind die Briten dran.

Buffetkritik

»Es war einfach zu viel, zu dicht«, meinte der Chef, Intendant Mis, selbst. Dem wollte angesichts von 138 Titeln mit insgesamt 116 Stunden Spielzeit niemand widersprechen.

Von Salzburger Seite war da zu hören: »Im Stiegl-Braugewölbe gab's ein üppiges Buffet. Womit die Diagonale als Salzburger Kulturereignis schon wieder abgehandelt wäre. Im weiteren Programm ist die Veranstaltung, was sie auch in den letzten Jahren war: ein Branchenfestival, kein Publikumsfestival.«

Viel Lob kam für die potentiellen Stärken kleiner Länder in Sachen Filmkunst: Deren Stärken lägen in unkonventionellen Themen und Erzählweisen und in der kleinen Form. Dort, wo »großes Kino« versucht wird, enden die Versuche meist im Brackwasser.

»Tierische Liebe«

Die Weltpremiere war der umstrittenste Film, mit »Tierische Liebe« zu beginnen aber sicher eine mutige Entscheidung. Ulrich Seidls Dokumentarfilm über fanatische Tierliebe provoziert und polarisiert. Der Riß geht nicht nur zwischen Freund und Feind des Films, sondern meist quer durch die SeherInnen. Denn wie schon in seinen früheren Kinofilmen »Good News« und »Mit Verlust ist zu rechnen« sprengt Seidl auch diesmal die Grenze zwischen Intimität und Öffentlichkeit, sucht er das, was peinlich berührt oder ekelt. Er verfolgt sie bis ins Schlafzimmer und motiviert sie zur Darstellung intimer Szenen: Ein Ehestreit, ein Zungenkuß zwischen Hund und Herrl, ein erotisches Vorspiel zwischen Hund und Frauerl...

Der Autor erzählt aber nicht nur von Tierliebe und Einsamkeit. Auch davon, wie weit Menschen vor der Kamera zu gehen bereit sind. Daß nach dem Film mehrere der AkteurInnen auf der Kinobühne erschienen sind, demonstrierte ihr Einverständnis mit der Art und Weise ihrer Darstellung im Film.