jänner-februar 1996

Unterhaltsamer Skeptizismus

Der junge österreichische Autor Franzobel gewann 1995 den BachmannPreis. Im Dezember war er zu Gast im Kulturgelände Nonntal . Ludwig Laher sprach mit ihm über das Schreiben, das Aufklären, das Einmischen, das Vereinnahmen.

An deinen Texten werden die Ironie, der Witz und die Leichtigkeit besonders gelobt. Ist dir die Anbindung an eine entsprechende Tradition in der österreichischen Literatur ein Anliegen, einerseits etwa Jandl, andererseits Nestroy, auch Priessnitz, also Texte, die auch ein Augenzwinkern bedeuten?

• Wenn man Nestroy und Jandl gelesen hat, dann ist dieser Witz ohnehin schon da. Es ist der Versuch, aber nicht unbedingt der Versuch, weil Witz ja wahnsinnig schnell gezwungen wirken kann, einen Witz entstehen zu lassen, wenn er kommt. Da ist auch keine Angst vor platten Kalauern, es ist das Niveau der Witze auch recht unterschiedlich, und man kann das auch nur bis zu einem gewissen Grad steuern. Da fühle ich mich durchaus auch dem Wolfgang Bauer verwandt. So blöd kann ein Kalauer gar nicht sein, daß man ihn zuerst einmal nicht verwendet. Wenn er zu dumm wird, kann man ihn in den Überarbeitungsphasen immer noch rausstreichen. Reinhard Priessnitz ist ohnehin nicht so wahnsinnig witzig, schon auch, aber er hat doch vielleicht mehr Ernst und Formwillen. Dieser Formwille spielt bei mir auch eine große Rolle. Je länger ich schreibe, umso weniger geht’s mir aber darum, irgendwelche Methoden des Schreibens transparent zu machen und auszustellen. Das war in meinen früheren Arbeiten viel wichtiger.

Es gibt Leute, die den realistischen Aspekt dieser Texte hervorheben. Du hast eine ganze Reihe von Sonetten geschrieben. Technisch ist das so gelaufen, daß du Priessnitz-Übersetzungen von Shakespeare über eine Oberflächenübersetzung über den PC zurück ins Englische geführt hast, aus dem Englischen wieder zurück nahmst und aus dem, was da als merkwürdiges Surrogat übrigblieb, assoziativ aufgestiegen bist. Da gibt’s ein Gedicht drunter, das heißt »Didaktisches Gedicht«. Der Schluß lautet:

Fragen nach Regeln und Halt

sind dir gewichen wie Triebe zur Minne.

Was also bleibt der Mißwirtschaft Gebeutel?

Dumme Sprüche, viel Verdautes und viel Vererbbares im Beutel!

Stichwort »Didaktisches Gedicht«, Stichwort Lehre, wie geht es dir mit Literatur, die aufklärerisch sein möchte, und das nicht augenzwinkernd?

• Ich glaube, daß diese Literatur in der Politik besser angesiedelt ist. Jeder, der schreibt, hat einen gewissen Aufklärungswillen, unter mehrfachen Gänsefüßchen einen didaktischen Anspruch, aber es ist immer sehr gefährlich, wenn ich sage, ich will jetzt gesellschaftspolitisch in gröberen Zügen was verändern, weil ich dann immer in gewissen Schneisen drinnen bin und es sehr schwierig ist, daß man das mit der sogenannten künstlerischen Freiheit und dem Skeptizismus, der beim Schreiben notwendig ist, verbinden kann, wenn man schon von vornherein weiß, welche Aussagen getroffen werden sollen. Ich kann nicht im vorhinein sagen, in welche Richtung ein Text wirklich läuft und wie der funktioniert, daß das auch für mich beim Schreiben eine gewisse Spannung hat. Wenn man sich die Kultursprecher anschaut, die irgendwann einmal Künstler waren, dann ist das meistens recht peinlich, was sie

in der Kunst gegenwärtig noch machen.

Wie würdest du dich einordnen in die Tradition, die in Oberösterreich vom Altvater Heimrad Bäcker bis zu deinem Auch-Verleger Christian Steinbacher oder Hans-Jörg Zauner reicht?

• Ich habe von diesen Leuten schon viel gelernt, gerade was die Strenge im Sprachumgang anlangt. Ich möchte darüber aber hinausgehen. Manchmal habe ich das Gefühl, daß diese Strenge, wenn sie auch eine Richtigkeit haben mag, zu textlichen Varianten führt, die nur noch schwer lesbar sind, die jeden Unterhaltungswert vermissen lassen. Das war nie mein Ziel. Ich wollte Texte schreiben, die auch für den Konsumenten eine gewissen Lust transportieren können. Was nun diese Gattung »Experimentelle Poesie« anlangt, der zähle ich mich schon zu, allerdings ist sie zu einer gewissen Schublade geworden: Experimentelle Literatur ist relativ unverständlich, schwer konsumierbar. Das hat teilweise nichts mehr mit dem Experiment zu tun, das ich will. Wenn man heute nur mehr Anagramme schreibt, um Anagramme zu schreiben, dann ist mir das zuwenig. Es geht, soweit das möglich ist, um das klare Formulieren eines Experiments pro Text mit gewissen Erkenntnissen, die nur in der Sprache passieren können.

Wo ist auf der anderen Seite die Abgrenzung zum Kabarettistischen?

• Das ist eine Definitionssache, die von anderen Leuten getroffen wird. Ich mache mir da keine Überlegungen. Ein gewisser Unterschied wird sein, daß meine Texte stellenweise poetischer oder schwieriger verstehbar sind. Es sind auch keine wirklich aktuellen politischen Dinge, die in ihnen vorkommen.

Vor kurzem erschien im Profil eine euphorische Rezension von Hoffmann-Ostenhof zu einem Essayband von Konrad Paul Liessmann, in dem er sich vor allem mit der Gute-Mensch-Problematik auseinandersetzt. Es gibt auch in bezug auf die österreichische Literatur die Generaldebatte, inwieweit das Stellung-nehmen zur Befindlichkeit Österreichs, das Warnen vor bestimmten Entwicklungen sich überlebt hätte, zum Ritual erstarrt sei. Autoren wie Roth, Turrini sollten, heißt es, besser damit aufhören. Menasse etwa ist der Meinung, Österreich habe sich in den letzten Jahren wesentlich demokratischer, offener, liberaler entwickelt, indirekt auch durch die Aktivitäten des Herrn Haider. Wie würdest du dich da positionieren, wie verhältst du dich als Autor in aktuellen Auseinandersetzungen?

• Sehr unterschiedlich. Ich verhalte mich nicht oder verhalte mich, wenn ich eine Überzeugung habe, die ich unbedingt loswerden will. Ich hab meistens nicht die Sicherheit zu sagen, daß ich das und jenes propagieren würde. Ich kriege seit dem Bachmann-Preis manchmal Listen, wo Leute gern hätten, daß ich unterschriebe, um meinen Namen irgendwo auf eine Unterstützungsliste zu setzen. Das lehne ich im allgemeinen ab. Das war z.B. auch so bei der Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, dieser Frau Simmel oder Schimmel. Ich habe mir das durchgelesen und lange überlegt, aber ich bin einfach zu uninformiert und kann das aus dieser Distanz nicht beurteilen. Ich glaube, es ist nicht meine Aufgabe, da wirklich konkret Stellung zu beziehen. Es gibt ohnehin genug österreichische Literaten, die Stellung beziehen, das muß man nicht nachmachen. Wobei ich auch nicht sagen will, daß das generell überkommen ist. Es ist schon klar, daß man sich über den Gesellschaftszustand eines Landes Gedanken macht, daß das in den Texten vorkommt, da man auch Produkt dieser Gesellschaft ist. Das ist ein Wechselspiel. Wenn das dann in so eine Manie der Österreichbeschimpfung mündet, wo ein Buch dem anderen gleicht in der Übertreibung und alle miteinander nicht an Thomas Bernhard heranreichen, dann ist das schon etwas fragwürdig.

Gab’s so was wie eine »Österreichvereinnahmung«, wo dir immerhin ge-lungen ist, was seit dem Karl Schranz bei den männlichen Schifahrern nicht mehr gelungen ist, den großen Preis, den Bachmann-Preis nach Österreich zu holen? So ist es ja in verschiedenen Medien rezipiert worden.

• In der Berichterstattung ist das immer so: Erster Österreicher seit 18 Jahren, Thomas Muster der Literatur. Ich empfinde das aber nicht als Vereinnahmung. Das ist ein momentaner Vergleich und verebbt relativ schnell wieder.

Spielst Du so viel Tennis, wie er Bücher liest?

• Ich glaube, ich spiel mehr Tennis, als er Bücher liest.

Du bist also der größere Allrounder.

• Allerdings ist Thomas Muster ja jetzt auch Nr.1 der Bestsellerliste.

Aber du hast keinen Ghostplayer.

• Nein, leider nicht.

Was sind deine nächsten Pläne?

• Man muß immer machen, was am wenigsten von einem erwartet wird. Ich schreibe gerade an zwei Theaterstücken und mache nachher ein Kinderbuch, habe allerdings schon eine ganze Reihe von großen Prosatexten im Kopf, die dann in weiterer Folge entstehen sollten.

Klingt sehr schön: Man soll tun, was am wenigsten von einem erwartet wird. Ist das das wirkliche Motiv?

• Nein, wenn man immer Prosa schreibt, sitzt man sehr schnell seinen eigenen Manieriertheiten auf. Ich finde es beim Schreiben sehr spannend, in eine andere Gattung zu gehen. Wenn ich Prosa mache, schreibe ich gerne Lyrik, weil ich dann immer die Vorteile der anderen Gattung sehe. Ich freue mich auf das nächste Projekt, das im Kopf ist.

Danke für das Gespräch!