jänner-februar 1996

Thomas Randisek

Flurbereinigung

Kürzen bei den freien Initiativen und Umverteilung zugunsten traditioneller Institutionen - die Zauberformel zur Rettung des Stadtbudgets?

Die Spitzen und Stützen des Staates sind stolz auf den Mangel an kommunikativer Kompetenz und genießen diskursive Verweigerung; entscheidend sind nicht Dialektik und Dialog; der neue Faktor, der Politik prägt, heißt »Aussitzen«. H. Glaser

Als kulturpolitisch und finanziell besonders erfolgreiches Jahr wird 1995 für die freien Kulturstätten der Stadt Salzburg nicht in die Annalen eingehen. Was eigentlich auch gar nicht zu erwarten war, erinnert man sich noch an die 1994 veröffentlichte »Todesliste«. Danach hätte ja 1995 das große kulturelle Reinemachen stattfinden sollen. So weit ist es bis dato nicht ganz gekommen.

Vergleicht man die Budgetzahlen für 95 mit dem Voranschlag 1996, so bleibt wenig Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

Faktum ist, daß seit 1992 der Anteil des Kulturbudgets am Gesamtbudget um 25,65% gesunken ist. Faktum ist weiters, daß es innerhalb des Kulturbudgets zu einer eklatanten Umverteilung gekommen ist. Die Umverteilung ging zu Lasten der freien Initiativen (Ermessensausgaben). Analog dazu steigt der Anteil der Pflichtausgaben kontinuierlich. Seit Amtsantritt Dechants verlagert sich der Schwerpunkt der Förderungen in Richtung traditioneller Einrichtungen wie Festspiele, Mozarteum, Landestheater.

Und bei der freien Szene, also all jenen Kulturstätten ohne fixe vertragliche Förderzusage, herrscht Streichwillkür. Kleinstinitiativen mit Förderbeträgen um die öS 500.000.– sind die Hauptträger dieses Debakels. Kürzer treten müssen 1996 wieder einmal die »Bildende Kunst«, die »Darstellende Kunst«, »Schrifttum und Sprache«, »Presse und Film« sowie »Maßnahmen zur Kulturpflege« (gemeint sind ÖIE, Kinderfreunde...), schlußendlich auch der Bereich »Musik«. Gewinner unter anderen auch hier: die Festspiele mit einem satten Plus von 6,5 Mio seit 1994 ! Das Gesamtbudget ist mit 5,3 Milliarden Schilling veranschlagt und steigt um 6,4%!

Dafür ist die Politik lernfähiger geworden. Nicht sofort soll der Hahn zugedreht werden, sondern stückweise. Aushungern heißt diese Praxis.

So werden Förderungen nun erst mit Jahresende ausbezahlt. Eine Umfrage des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten 47 Tage vor Jahresschluß 1995 unter 19 Kulturstätten in der Stadt Salzburg ergab, daß von zugesagten 24 Fördermillionen erst 14 Millionen ausbezahlt wurden. Allein durch die Schuldenlast, die den Kultur- initiativen dadurch entsteht, könnten zwei kleine Initiativen oder unzählige Projektsubventionen vergeben werden. Zugegeben, Kultur ist nicht das Wichtigste, aber sie ist nicht unwichtiger als andere städtische Aufgaben. Von Berechenbarkeit wird Abstand genommen. Daß weder Dechant noch der Kulturausschuß oder gar das Kulturamt die Kulturinitiativen von der verspäteten Auszahlung informiert haben, trägt auch einiges zum Salzburger Kulturklima bei.

Dem Faß den Boden ausgeschlagen haben die Verantwortlichen sicher mit dem Auszahlungsmodus beim Österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE). Über die Förderung für das Jahr 95 wurde im Dezember 95 (!!!) im Kulturausschuß abgestimmt, und dies letzlich mit einer Kürzung von mehr als 40% für das laufende Jahr (siehe kurzfehler, Seite 4).

Ein Vorgang, der bei weiteren Kulturinitiativen wiederholbar ist. Den Vorgang nimmt niemand wahr, und mediales Interesse erregen solche Gepflogenheiten Salzburger Kulturpolitik nicht mehr. Keine Reaktion von den Parteien, kein Aufschrei aus dem Kulturausschuß.

Von links liegt erstarrtes Schweigen über der Szene; Rechts hatte zu diesem Thema sowieso noch nie was anders beizutragen als waghalsige Surfübungen auf Trittbrettern. Blau kennt nur die kulturpolitische Axt, und Grün strickt und stillt unverdrossen vor sich hin. Und was nun?

Gibt es von den Stadtparteien wenigstens eine, die versucht, dem Debakel gegenzusteuern? Wenn also Josef Dechant ob seiner Aussitzer-Qualitäten als Kohl der heimischen Kulturpolitik bezeichnet werden kann und sich damit disqualifiziert, dann ist Heinz Schaden von der SPÖ wohl der Rudolf »Mancheshatbitterwehgetan« Scharping.

Immer im kulturpolitischen Schatten Dechants, surft Schaden brav mit, um manchmal, wenn es wirklich nicht mehr anders geht - wie bei der Sommerschließung der ARGE -, brieflich mit geballter Faust in der Hosentasche seine Solidarität zu bekunden. Ansonsten kennt die Stadt-SPÖ nur mehr das kulturpolitische Schweigen und den Blick auf sich auflösende Strukturen. Nur angenommen, die SPÖ möchte in dieser Stadt wieder einmal die führende Rolle übernehmen, sie wird sich wohl mehr einfallen lassen müssen als die Kaninchenstarre in einer öder werdenden Kulturlandschaft.

Scheiden also ÖVP kraft ihres derzeitigen Wirkens und Sozialdemokratie kraft ihres Desinteresses aus, sind die Freiheitlichen mit ihrer Forderung nach Halbierung der Kulturförderungen wohl keine Alternative. Drastisch wird einem hier nur vor Augen geführt, wie geistig überlegen diese Bewegung ist. Kulturpolitische Rülp-ser hat der kunstfehler ja zur Genüge dokumentiert.

Die Demokratie 92 ist im Dauerschlaf oder auch schon nicht mehr vorhanden, wer weiß das schon?

Es bliebe nur mehrdie Bürgerliste: Immerhin, diese Fraktion macht sich so ihre Gedanken; Interesse und Wille zur Zusammenarbeit mit den Kulturschaffenden sind in Ansätzen vorhanden. Zwar noch immer ohne kulturpolitisches Konzept, aber doch. So wurden noch 300.000.– öS aus einem ihrer Ressorts für das Kulturressort flüssig gemacht. Der Effekt: Literaturhaus und Rockhouse werden nur um 100.000.– gekürzt. Ein sympatischer Zug, aber Kleinkrämerei.

Recht zurückhaltend auch das Kulturamt der Stadt Salzburg. Gäbe es nicht einige wenige Beamte mit aufrechtem Gang, die Kulturschaffenden in Salzburg hätten wohl noch weniger zu arbeiten. Vergleicht man die Aktivitäten dieses Amts aber mit denen des Landes, bleibt Staunen.

Alleine Interesse bei der Veranstaltungsreihe zur Kulturpolitik der Parteien wäre wohltuend gewesen. Wie die meisten StadtpolitikerInnen, die einsam zu dieser Veranstaltungsreihe, wenn auch nur zu den Auftritten der eigenen Partei (Ausnahme: ÖVP bei Franz Morak) kamen, blieben die Beamten dieser Reihe demonstrativ fern.

Dafür darf man sich beim Subventionsansuchen 1996 bestimmt wieder fragen lassen: Was habt ihr denn 1995 überhaupt getan ?

So hat Josef Dechant mit seiner Kulturpolitik ein leichtes Spiel, weil ihm im Laufe seiner drei Amtsjahre schon die Gegner abhanden gekommen sind. Die Kulturschaffenden selbst üben sich in Überlebensstrategien und warten ab. Warten, bis sich Dechants Vision einer flurbereinigten Kulturszene verwirklicht hat und neben den traditionellen Einrichtungen noch ein paar mittlere Theater, ein Stadtkinosaal, ein Rockhouse und ein Literaturhaus überleben dürfen. Innovatives? Nein Danke. »Denn Dechants kulturpolitische Vision heißt bekanntlich KEIN GELD. Das war ein Synonym für : KEINE IDEE«. (profil)

Ein starkes Bollwerk gegen die Kulturfeindlichkeit indessen ist das Kultur-amt des Landes Salzburg. Die rege Anteilnahme an der Veranstaltungsreihe mit den Kultursprechern der Parteien ist nur eines der Signale, die aufhorchen lassen. Nicht zu Unrecht hat die Landesabteilung österreichweit den Ruf als eine der fortschrittlichsten und kompetentesten.

Österreichweit einzigartig war die Moderation zum Thema »Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Kulturverwaltung und Kulturinitiativen«, die neben nötigen Diskussionen auch konkrete Erleichterungen für Kulturschaffende, und siehe da, auch für die Beamten und den Ressortleiter Raus brachten. So werden die Förderungen schon ab Jänner zu 3/12 ausbezahlt, um die elende Finanzknappheit der ersten drei Monate im Jahr zu beseitigen, Informationen über Entscheidungen fließen ungewöhnlich schnell, ebenso wie die Abwicklungsläufe. Guter persönlicher Kontakt zwischen Beamten und Kulturschaffenden sind Standard, und nicht zuletzt lobt die Landeskulturabteilung die »professionellen Budgets der Kulturinitiativen«und die Qualität der Produktionen.

Und wer bei Othmar Raus einen Termin zum Thema »Kultur«haben will, kann sich die Arbeit einer Petition sparen, wie sie im Umgang mit Dechant - erfolglos allerdings - üblich geworden ist. Anruf genügt, binnen zwei Wochen steht ein Termin zwischen Kulturschaffenden, Kulturabteilung und Raus. Daß daneben ausgehandelte Förderungen auch pünktlich ausbezahlt werden, braucht bei der Aufzählung der angenehmen Seiten in der Zusammenarbeit nicht mehr betont werden.

Auch das Versprechen der Landtagsparteien, mittelfristige Fördervereinbarungen mit den Kulturinitiativen zu schließen, wurde auf Vorschlag der SPÖ-Landtagsfraktion endlich durchgebracht. In seiner Qualität zwar der einstigen Fördervereinbarung mit der Stadt Salzburg hinterherhinkend (da Kürzungen um jährlich bis zu 20% immer noch nicht ausgeschlossen werden können), wurde diese Fördervereinbarung gegen die Stimmen der Freiheitlichen (Abteilung »geistige Über- legenheit«) mit den Stimmen der SPÖ, der Bürgerliste und - siehe da, zwei Welten - denen der ÖVP angenommen.

Allerdings, einen Haken hat die Sache. Auch beim Land Salzburg sinkt das Kulturbudget in erschütternder Weise.

Lag der Anteil 1993 bei 2,51% (gegenüber 1992 -0,35%), so ist das Kulturbudget 1996 nur mehr mit 2,36% budgetiert und somit das niedrigste seit zehn Jahren. Ein Umstand, der bei all den positiven Errungenschaften schwer zu verdauen ist, denn auch hier ist ein Fördertrend zu den Traditionellen festzustellen.

So bekommt bespielsweise der Dachverband Salzburger Kulturstätten zwar gesicherte 150.000.– an finanzieller Beiwendung und wird als Partner geschätzt. Die oberösterreichische Interessenvertretung KUPF bekommt vom schwarzen Landeshauptmann Pühringer aber das achtfache. Auch bei der Filmförderung wurde gekürzt, ebenso im Bereich »Förderung der Literatur«.

Andererseits können sich die Festspiele einer Erhöhung des Budgets von öS 3,7 Mio erfreuen.

Gänzlich unglaublich wird die Argumentation »Ihr wißt, wir können nicht mehr«dann , wenn das European Art Forum mit 2,7 Mio. gefördert wird. Ein Treffen der führenden Köpfe ist für ein verlängertes Wochenende geplant und budgetiert. Die sollen sich bei Schampus und Kaviar den Kopf über die kulturelle Zukunft Europas zerbrechen. Eine Teilnahme Salzburger Kulturschaffender, wenn schon nicht beim Schampus, so doch bei der Diskussion um die kulturelle Zukunft Europas, ist ausgeschlossen.

Bleibt der Faktor Hoffnung. Bei einer Umfrage des Dachverbandes zur Landtagswahl 1994 bestand bei allen befragten Parteien, selbst bei den F, grundsätzliche Übereinstimmung, das Landeskulturbudget von damals 2,51% auf 3,5% bis zum Jahre 1997 anzuheben. Keep on working!