jänner-februar 1996

Thomas Neuhold

Gewinner, Verlierer und die Waffen-SS

Zum Jahreswechsel wurden die parteipolitischen Gewichte leicht nach links verschoben.

»Eigentlich hätten wir uns diese Wahl sparen können, sie hat ohnehin nichts verändert.« Dies oder eine sinnverwandte Variante war nach dem dritten Adventsonntag tausendfach zu hören. Von Seiten der Sozialdemokratie, weil viele Funktionäre nicht begriffen, daß der Wahlkampf längst gelaufen und der Slogan von den Wahlen, »die keiner will«, nicht mehr notwendig ist. Von Seiten der VP-freundlichen Medien, um vom Flop des Schüsselschen Nullsummenspiels abzulenken. Konservativen wie Sozialdemokraten ist übrigens nicht unbedingt böse Absicht zu unterstellen. Daß die Wahlen nichts bewirkt hätten, ist selbst von Politikwissenschaftern zu hören.

Das stimmt natürlich für die ökonomischen Rahmenbedingungen oder etwa für das Verhältnis in und zur EU. Innen- aber auch landespolitisch hat der 17. Dezember dennoch etwas bewegt.

Das zeigt schon die Siegerstrategie: Die »Richtungsentscheidung« ist nicht für Rechts, schon gar nicht vorsätzlich für Links - sondern für konservativ gefallen. »Wir werden nicht zulassen...« war die zentrale Botschaft von Franz Vranitzky bis Casper Einem. Die SPÖ hat sich als einzige Verhindererpartei angeboten - und gewonnen. Das bewahrende, beharrende Potential hierzulande wählt also »tendenziell links«.

Paradox? Keineswegs!

Eine Mehrheit hat es sich hierzulande bequem eingerichtet und im Gegenzug akzeptiert, daß kaum politische Fortschritte möglich waren. Aber wenn schon - nicht zuletzt im intellektuellen Leben - das Mittelmaß herrscht, dann solle es wenigsten keine reaktionären Experimente geben, so die Botschaft der WählerInnen.

Eine bittere Erfahrung für die Grünen. Sie sind als (bessere) Sozialdemokraten angetreten und mußten erkennen, daß selbst viele Stammwähler dann gleich vom Schmiedl zum Schmied gehen. Nach der Konsolidierung der Liberalen bleibt - soll Profil gezeigt werden - nur ein linksalternativer Weg offen.

Dies auch, da der Sieg der »Roten« diese zu einer Kurskorrektur zwingt. Um die versprochene Sicherung sozialer Errrungenschaften erfüllen zu können, bedarf es gerade in der tendenziell wirtschaftsliberalen EU einer Sozialdemokratisierung ihrer Politik. Salzburgs Landesparteichef Gerhard Buchleitner hat das intuitiv erkannt, wenn er verspricht, die SP werde sich stärker als »Anwältin der sozial Schwachen« profilieren. Gelingt dies nicht, dann ist dieser Sieg mit der nächsten Niederlage schwanger. Und die wird dann verheerend! Die Gläubiger haben nämlich ein besseres Gedächtnis als die Schuldner.

Ironischerweise scheint es, daß es für die siegreiche SPÖ schwerer wird, mit dem Ergebnis zu leben, als für die geschlagene Mascherlpartie. Die scheinbare Gelassenheit bei den Schwarzen ist aber mehr eine schockbedingte Paralyse. Erst wenn die Lähmung nach dem Verlust der ÖVP-Hochburg Steiermark vorbei ist, wird sich zeigen, in welche hektische Aktivität einzelne Landesfürsten, Bezirkskaiser und die Bündeadeligen der ÖVP verfallen. Das Beben hatte sein Epizentrum zwar in Graz, zeitverzögert werden die Wände aber wohl auch im Salzburger Miele-Haus wackeln. Jede Wette!

Bis ins Bärental ist die Kunde von Krainers Desaster jedenfalls schon durchgedrungen. Die FPÖ hat mit der Atomisierung der steirischen ÖVP einen ihrer vehementesten Fürsprecher verloren. Nicht zuletzt deshalb ist die schwarz-blaue Variante vom Tisch. Krainer ist - neben ein paar tausend Stimmen - übrigens nicht der einzige Freund, den Jörg Haider im Zuge dieser Wahlauseinandersetzung verloren hat. Peter Michael Lingens beispielsweise, der jahrelang von der Haiderschen »Lernfähigkeit« gefaselt hat, gestand nach Haiders Bekenntnis zur Waffen-SS im »Standard« öffentlich seinen Irrtum ein. Der FP-Führer sei ein ganz gewöhnlicher »Nazibua«, so Lingens, und politisch auch entsprechend zu behandeln. Die solcherart weiterschreitende politische Isolation des Rechtspopulismus ist zum einen ein Gewinn für die Demokratie, verleiht aber wiederum vor allem jenen mehr politisches Gewicht, die von Anbeginn an jede Kooperation mit den Freiheitlichen abgelehnt hatten.