jänner-februar 1996

GastautorIn

agent provocateur

Der Salzburger Schriftsteller und Dramaturg Christian Fuchs über sein »einfach ehrliches Nein«.

Der hinter uns liegende Wahlkampf hat eine seit Jahren unbekannte Mobilisierung in der österreichischen Innenpolitik gebracht. Die Basisfunktionäre der SPÖ sind von Tür zu Tür gelaufen wie sonst nur die Sternsinger; die WählerInnen waren mobil wie selten zuvor, und erstmals seit Jahren versuchten auch parteiungebundene Initiativen in den Wahlkampf einzugreifen. Landauf, landab mobilisierten sie vor allem gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ und gegen die »Dritte Republik«.

In Salzburg nennt sich dieser Zusammenschluß »SOS-Demokratie«. Mit Plakaten, Inseraten und Veranstaltungen versuchte die Initiative ihren Teil beizutragen, um Österreich vor einer autoritären Wende zu bewahren. Mit dabei auch der Salzburger Schriftsteller und Dramaturg Christian Fuchs. Er faßte seine Motivation, »SOS-Demokratie« zu unterstützen, unter dem Titel »Agent provocateur« zusammen. Der (leicht gekürzte) Text hat - wie wir in der »kunstfehler«-Redaktion befanden - auch über den Wahltermin hinaus nichts an Aktualität verloren.

Die Methode ist alt, ist einfach. Da stellt sich einer in die längst leer geglaubte und inzwischen wieder so attraktive rechte Ecke und verteilt ungezielte Schläge nach links. Kunststück, wohin sonst soll er schlagen, denn rechts von ihm ist bereits Beton.

Aber die Population des Spielortes dieses bislang einseitigen Kampfes bejubelt die Schläge, froh, daß sie andere treffen. Die anderen, das sind die Künstler. Die Empfänger seiner öffentlich so wohlgesetzten Schläge, Tritte und Bisse finden eine Solidarität vor. Eine breite Solidarität unter den Kulturmenschen dieses Landes.

Nun geht es in die zweite Runde. Der agent provocateur tritt von der Rolle des Aggressors in jene des Opfers. Daß die von ihm Angegriffenen Hilfe empfangen, sei skandalös. Es fällt das Wort vom Kulturkampf, vom linken Kulturfaschismus. Warum Kampf? Er hat ihn begonnen, den Kampf, den keiner will. Warum links? Rechts von ihm, wie angedeutet, ist ohnehin kein Platz mehr. (...)

Bis jetzt spielen alle sein Spiel. Es ist das Spiel von Dr. Jörg Haider, dem Spitzenkandidaten einer F genannten Bewegung.

Die Affäre Dreyfuss-Zola hat in Frankreich eine nachhaltige Wirkung gezeigt: ein breites, liberales, humanistisches Gesprächsklima zwischen Intellektuellen und Künstlern eines Landes. Die Gesprächsfähigkeit und die aktive Auseinandersetzung zwischen politischen, religiösen, künstlerischen und philosophischen Schulen ist wesentlich für die Standortbestimmung des Individuums. Das politische und kulturelle Klima ist ein Gesprächsklima und bildet überhaupt erst die Basis, sich und die anderen standortmäßig zu orten. Vor allem tragen die Intellektuellen, die Künstler, die Tätigen des Wortes die Verantwortung für die Kultur dieses Landes, für dessen Identität.

Diese Verantwortung müssen wir jetzt für Österreich übernehmen.

Dies heißt: In dem von jenem agent provocateur begonnenen Kampf, der alles ist, nur kein Kulturkampf, sondern Wahlkampf in seiner schäbigsten Form, werden wir nicht mitspielen, nicht mitkämpfen. Wir nicht. (...)

Einfach ehrlich: Ist es wünschenswert, daß einer, der für die kulturellen Leistungen seines Landes bloß Verbal-attacken wie sozialistische Kulturmafia, fortgeschrittene Dekadenz, linker Kulturfaschismus übrig hat, in diesem Land Regierungsverantwortung übernimmt? (...)

Einfach ehrlich: Ist einer, der statt eines Gesprächsklimas bloß seinen Kampf sucht und vordringlich Argumente der Lautstärke, der Verletzung und des unfairen Tiefschlages aufweist, ein wünschenswerter Repräsentant unseres Landes? (...)

Einfach ehrlich: Ist ein agent provocateur als verantwortlicher Politiker auch nur denkbar?

Einfach ehrlich - einfach nein.

Christian Fuchs,

1952 in Wien geboren.

Er studierte Theaterwissenschaften und arbeitet als Chefdramaturg am Salzburger Landestheater. Mitbegründer des Falter, Buchautor, Beiträge für Zeitschriften, Hörfunk, ferner Drehbücher, Opernlibretti...