jänner-februar 1996

Thomas Neuhold
leitartikel

Weltfremde Ideologien

Es war schon erstaunlich, was den ZuhörerInnen bei der Kinderbetreuungsenquete des Salzburger Landtages im Herbst vergangenen Jahres aufgetischt wurde. Da hieß es: Es bleibe vorrangiges Ziel der Familienpolitik, daß die Kinder möglichst lange bei ihren Müttern (!) blieben. Zum zweiten wurde festgestellt, wenn das Kind schon weggegeben (!) werden müsse, dann sei familienähnlichen Betreuungsformen - also Tagesmüttern - gegenüber den Krabbelstuben der Vorzug zu geben. In beiden Fällen mußte das Wohl des Kindes zur Begründung herhalten.

Nun gut, mag die geneigte Leserschaft einwenden, wir haben auch schon von leeren also vergeudeten Wänden in Galerien gehört, was soll uns das noch jucken.

Es juckt! Diese Versatzstücke aus der familienpolitischen Mottenkiste stammen nicht aus der dritten Reihe des ÖVP-Gemeinderatsklubs, sondern vom ressortzuständigen Mitglied der Landesregierung Landeshauptmann Hans Katschthaler selbst.

Daß sich Katschthaler - für ideologisch motivierte Ausritte eigentlich nicht bekannt - zu derartigen Aussagen hinreißen läßt, zeugt von der tiefen Verunsicherung der Konservativen angesichts der Entwicklung der modernen Gesellschaft. Das Dogma Mutter-Kind ist nicht nur zentraler Bestandteil der christlich-sozialen Lehre, es widerspiegelt auch die Lebenserfahrung einer Generation, die gerade im ländlichen Raum noch im Familienverband an Mutters Rockzipfel aufgewachsen ist.

Gleichzeitig gehört Katschthaler aber zu jenen, die politisch eine bedingungslose »Modernisierung« der Wirtschaft forcieren. EU-Beitritt, Datenautobahnen, Ladenöffnungszeiten... Die Folgen für die Familien sind bekannt: Der immense ökonomische Druck zwingt beide Elternteile in die Lohnarbeit, um sich und ihren Kleinen halbwegs erträgliche Lebensbedingungen schaffen zu können. Die Flexibilisierung zwingt zu höherer beruflicher, die Wohnungsnot zu größerer geographischer Mobilität. Von den Problemen Alleinerziehender ganz zu schweigen. Die Weltfremdheit von Katschthalers Mutter-Herd-Kind-Ideologie ist unübersehbar. Sie wird übrigens auch auf konservativer Seite von den jüngeren, selbst schon im Kindergarten groß Gewordenen, nicht mehr hundertprozentig geteilt.

Einstweilen jedoch zahlen Kinder, Mütter, Väter und auch die professionellen BetreuerInnen die Zeche. Frei nach dem Motto: Wir können zwar um 600 Millionen die Salzburger Stadtautobahn sechsspurig ausbauen, für Krabbelstuben gibt's kein Geld, denn die Kleinen gehören eh heim zur Mutter.