märz 1996

Thomas Neuhold
gelesen

Jörg Köhler

Harno Harnisch (Hg.); Gregor Gysi: Freche Sprüche (Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 1995).

Das Buch, seit Monaten in den Bestsellerlisten Deutschlands (nicht nur Ost), zählt zweifelsfrei zum Besten, was auf dem Gebiet des politischen Humors im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahrzehnten gedruckt wurde. Nur, daß nicht ein Humorist oder Kabarettist sein Verfasser ist, sondern es die gesammelten »Sager« des Vorsitzenden einer Bundestagsfraktion wiedergibt.

Darunter Gysi-Klassiker wie das folgende Frage-Antwort Spiel mit einer Boulevardzeitung: Frage: »Wie würden Sie einem Blinden Ihr Äußeres beschreiben?« Gregor Gysi: »Groß, stark, schlank, mit vollen Locken«. »Wer soll Ihre Grabrede halten?« Gysi: »Stefan Heym.« »Welchen Satz erhoffen Sie sich darin?« Gysi: »Keine falsche Hoffnung, der kommt wieder!«

Das Buch präsentiert Gysi als Medienstar und Ausnahmerhetoriker, als humorvollen Sozialisten mitten unter siegreichen kapitalistischen Machtpolitikern. (»Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist ja nur übriggeblieben.«) Es zeigt Gysi dialektisch analysierend, aber auch als Profi-Politiker, der zwar vielleicht kein besserer Mensch ist als andere, aber zumindest witziger. Es ist jedenfalls ein Buch für jene, die einen Ersatz für ihre vergilbte Mao-Bibel suchen, aber auch für solche, denen ihr »titanic«-Abo längst zu teuer geworden ist.