märz 1996

Mario Jandrokovic

Kunst am Wau Wau

Auch im Bereich »Kunst am Bau« zeigt sich das Gefälle zwischen Land und Stadt Salzburg

Die vermeintliche Kulturmetropole offenbart sich als Bananenstadt, in der Ressortzuständige ein weiteres Mal verantwortungsvolles Gebaren mit den Gebärden von Kultur-Wau-Waus verwechseln

Die künstlerische Ausgestaltung von Bauwerken verlor mit dem Aufkommen einer streng funktionalen Architektur ihren selbstverständlichen Platz. Also wurde gesetzlich festgelegt, daß ein geringer Prozentsatz der Bausumme für »Kunst am Bau« aufzuwenden sei; dieser Begriff mag des öfteren den ein wenig unglücklichen Beiklang von neben der Architektur herlaufender Behübschung haben - nicht zuletzt auch deshalb, weil den gesamten Zeitraum nach dem Krieg hindurch die Modalitäten, nach denen Aufträge im öffentlichen Raum und bei öffentlichen Gebäuden vergeben wurden, schlichtweg im dunkeln lagen: Gewählte Volksvertreter traten als Mäzene auf, die bei gemeinnützigen Bauten mit den immergleichen Kunstschaffenden ihre private ästhetische Programmatik pflegten; in Krankenanstalten, die einen Löwenanteil vom Kunst-am-Bau-Topf beanspruchten, schlüpften Oberärzte in die Rolle von Bauherren, die im Direktverfahren Aufträge an favorisierte Künstlerinnen und Künstler zu erteilen trachteten.

Der seit nunmehr sechs Jahren von der Salzburger Landesregierung eingesetzte Fachausschuß »Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum« hat sich nicht zuletzt zur Aufgabe gestellt, in diese vormals recht trübe, im Privaten gehaltene Verschlußsache mehr Licht zu bringen. Mehr Transparenz bei Ausschreibungen und Preisvergaben ist ein Ziel, aber es geht auch darum, so Alexander Pühringer, Herausgeber der renommierten Kunstzeitschrift »Noema« und Mitarbeiter im Ausschuß, »daß die Arbeit des Beirates viel stärker ein öffentliches Thema wird«. Unter anderem wird die für April angesetzte Ausstellung im Landesregierungsgebäude Michael-Pacher-Straße sämtliche Kunst-am-Bau-Vorhaben präsentieren, die seit Bestehen des Fachgremiums realisiert worden sind. Die Runde der Künstlerinnen und Künstler, Kunstfachleute, ArchitektInnen und zuständigen BeamtInnen sei »überdurchschnittlich bemüht«, betont Alexander Pühringer, »meterdicke Verkrustungen aufzubrechen«; auch ein vermehrter Gedankenaustausch mit vergleichbaren Einrichtungen in anderen Bundesländern soll helfen, einen magischen, inzestgefährdeten Kreis der Provinzialität zu durchbrechen. Gesucht werden Arbeiten, die als anregende, kommunikative Akzente mit der Atmosphäre der Architektur und den Bedürfnissen der Nutzer eine Verklammerung eingehen - eine bildende Kunst, die aus den mehr oder weniger geduldeten Enklaven der Ausstellungsräume ausbricht und den Anforderungen des öffentlichen Raumes gerecht wird. Allein schon das zunehmend weite Feld an Möglichkeiten in diesem Bereich - Stichwort: Neue Medien - macht »Kunst am Bau« zu weitaus mehr als den Füllstoff für vom Architekten freigelassene Flächen. Nicht zuletzt schafft eine kompetente Institution so auch das nötige geistige Umfeld für die vielleicht spannendsten künstlerischen Vorhaben im öffentlichen Raum: vor-übergehend aufgestellte Werke oder Aktionen, gleichsam Einwände, die kurzfristig vom urbanen Körper Besitz ergreifen.

Diese avancierte Praxis beim Land bleibt auf Stadtebene graue Theorie. So hat sich die Jury beim Wettbewerb für den Zusatzbau beim Pensionistenheim Itzling dafür entschieden, den ersten Preis zwischen dem Salzburger Konrad Winter und dem in Radstadt ansässigen Wilhelm Scherübl aufzuteilen, nachdem beide Künstler gleichermaßen den Anforderungen voll gerecht geworden sind, ein den Lebensbedingungen und Bedürfnissen im Altersheim entgegenkommendes Konzept zu erstellen; ihnen wurde am 26. Mai 1995 ein Preisgeld von je 20.000.- öS zugesprochen. Die beiden Künstler erklärten sich auch bereit, ihre Vorhaben einzuschränken und das Honorar (laut Gemeinderatsbeschluß von 1974 bei kommunalen Hochbauten ein Prozent der Gesamtbausumme, in diesem Falle also insgesamt 500.000.- öS) zu teilen. Sie arbeiten auf die Realisierung der Werke hin.

Mitte September, also dreieinhalb Monate später, hatte die Finanzbehörde des Magistrats das zuerkannte Preisgeld noch immer nicht überwiesen. Stattdessen wurden die Künstler kurzerhand über den Beschluß des Stadtsenats informiert, ob der bekanntlich prekären Finanzlage den Posten »Kunst am Bau« in diesem Falle zu streichen. Damit ist wohl auch eine weitere Hemmschwelle praktizierter Kulturpolitik überschritten: Jetzt scheint man sich per Mehrheitsbeschluß darauf einigen zu wollen, das Projekt »Kunst am Bau« für zwei Jahre auszusetzen. Damit würde jener Bereich wegfallen, wo für bildende Kunst am meisten Finanzen aufgewendet werden.

Neben dem Fachausschuß existiert auf Landesebene ein Gesetz, das bei Hochbauten ganze zwei Prozent der Bausumme für künstlerische Ausgestaltung gesetzlich festschreibt. Seitens der Stadt wurde die Installierung eines solchen Gremiums, das die Kommunikation zwischen Hochbau- und Kulturamt koordinieren könnte und nebenher auch eine Lobby für bildende Künstlerinnen und Künstler darstellen würde, abgelehnt, weiß Ines Höllwarth, Vorsitzende im Ausschuß, zu berichten. Außerdem ist die bis dato stets befolgte Empfehlung, bei kommunalen Hochbauten das eine Prozent für Kunst aufzuwenden, schlichtweg übergangen worden, ohne daß eine Novellierung oder Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses erfolgt wäre.

Im Zeichen des städtischen Sparefrohs, der sich bekanntlich vornehmlich für Kultur und Soziales interessiert, wurden Kunstschaffende nach langwierigem Arbeitseinsatz um die in Aussicht gestellte Verwirklichung ihres Projekts geprellt und bekamen als Almosen das Preisgeld aus einem letztlich bloß absurden Wettbewerb. Kunst, die den öffentlichen Raum besetzt, agiert immer im politischen Raum, und »anhand solcher Projekte werden dann unsichtbare Besitzansprüche sichtbar«, sagt Anselm Wagner, Geschäftsführer der Galerie 5020 und beratendes Mitglied im Ausschuß. Während etwa in Niederösterreich oder auch in Linz eine zunehmend unbürokratische und fachkompetente Realisierung von Kunst im öffentlichen Raum vorangetrieben wird, machen sich die örtlichen Exekutoren des Sparpakets daran, abseits demokratischer Entscheidungsprozesse die Stadt zu Privatraum umzufunktionieren, um sich ein geschichtsträchtiges Denkmal zu setzen: die gegenwartskulturbefreite Zone. Als Preisgeld gibt es eine Stadt, die so ist, wie sie immer war. Der Rest steht im Touristen-Prospekt.