märz 1996

Thomas Neuhold

Die Rückkehr der Politik

Politisches Handeln ist das beste Rezept gegen Rechts. Beteiligen wir uns!

Jörg Haider im Sommer 95: Er brauche keinen Wahlkampf zu führen, sondern seine Gegner nur so wie bisher weitermachen zu lassen. Die Wähler würden von selbst zu ihm überlaufen. Stimmt. Allerdings ist auch der Umkehrschluß zulässig: Gelingt den Parteien, die auf dem Boden der zweiten Republik stehen, eine Repolitisierung, gelingt es also, wieder Politik jenseits des reinen Machterhalts privilegierter Kasten zu entwickeln, hat der Rechtspopulismus ein Nachschubproblem.

Derzeit deutet einiges darauf hin, daß der Kaninchen-F-Schlangen-Reflex in Ansätzen überwunden wird. Zwei Indizien von Anfang Februar:

Da wären einmal Caspar Einems Bundesheer-Thesen. Die Vorschläge sollen hier nicht gewertet werden. Aber wann hat zuletzt ein SP-Minister aus einem Schlüsselressort - und nicht nur Bruno Aigner - öffentlich derart richtungsweisende Thesen und Visionen vertreten? Verdammt lang her!

Oder die Budgetverhandlungen: Egal ob sozial ausgewogen oder unsozial. Viktor Klima und Johannes Ditz gaben die Linien vor. Haider reichte bestenfalls noch für die freiheitliche ZiB-Quote. Die gesellschaftspolitische Richtung, die diskutiert wird, ob sie gefällt oder nicht, wurde nicht mehr aus dem Bärental bestimmt.

Nehmen wir ein vergleichsweise harmloses Beispiel aus der Landeshauptstadt, um zu zeigen, wie's nicht funktioniert. Rund 260 Millionen hat die Bahnunterführung in Aigen gekostet. Niemand, auch nicht in den Regierungsbüros, weiß wirklich, wem - außer den bauausführenden Unternehmungen - das Betonmonster nützen soll. Der Beschluß ist Jahre her und wurde völlig hirnlos in die Landschaft exekutiert. Wer weiß, wieviel in Sachen Kinderbetreuung schon um die Hälfte des Betrages möglich wäre, kann den Unmut verstehen. Solche Beispiele gibt es viele: Die sechsspurige 600-Millionen-Stadtautobahn um Salzburg, Lambach, ... eben eine Form von Nicht-Politik, die den Menschen kein Sparpaket wert ist.

Für jene, die Gestaltungswillen für Neues haben, sind die vielfältigen Lobbys - Waffenerzeuger, Baubranche, Tourismuswirtschaft - oft ein Klotz am Bein. Auch der Mut zum politisch kontroversiellen, zukunftsweisenden, da gestaltungsfähigen Diskurs hat Unterstützung, hat eine Lobby nötig. Aber allein die Rückkehr der Politik und in die Politik bietet Schutz gegen Rechts, nicht die Kapitulation vor dem Geist des Boulevards - auch Fürst und Kaiser haben ihre Hofnarren nach Gutdünken geköpft. Das gilt für Kultur- und Sozialinstitutionen, das gilt für uns alle. Wir sollten uns beteiligen.