märz 1996

Thomas Neuhold

»...NICHT ALLES MIT GELD LÖSEN«

Exklusiv im »kunstfehler«: Die neue Sozialamtsleiterin Renate Szegedi-Staufer über ihre Bestellung, ihre Ziele und die Salzburger Sozialpolitik

Das Sozialamt ist wohl mit Abstand das parteipolitisch am meisten umfehdete Amt im Salzburger Magistrat. Entsprechend kontroversiell war, nachdem Nikolaus Dimmel - entnervt von Intrigen, politischer Intervention und öffentlichen Kontroversen - im Mai vergangenen Jahres den Leiter-Sessel im Sozialamt geräumt hatte, die Nachbesetzung der freien Stelle. Vor allem die Bürgermeister-Fraktion machte sich für den drittgereihten Wohnungsamtschef und Christ-Gewerkschafter Franz Danter stark. Teils mit haarsträubenden Argumenten, wie etwa jenes, wonach die beiden erstgereihten Frauen - nach Szegedi-Staufer war Andrea Hohenwarter auf Platz zwei - überqualifiziert wären. Erst eine Kampfabstimmung im Gemeinderat ebnete für die Juristin den Weg. Mit Szegedi-Staufer übernimmt am 1. März eine Praktikerin die Führung eines Amtes, in dem 33 MitarbeiterInnen arbeiten, das jährlich rund 3.500 »Fälle« bearbeitet und etwa 400 Millionen Schilling verwaltet. Szegedi-Staufer fungiert »nebenbei« noch als Vorsitzende des Vereins »Salzburger Frauenhaus« und führt den Vorsitz der »Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Österreich«.

Als klar war, daß Du die größten Chancen auf den »Schleudersitz« Sozialamtsleiterin hast, hat die Mehrheit derer, die sich in der Salzburger Kommunalpolitik auskennen, sich oft gefragt: Warum tut sich die Renate einen parteipolitisch derart überfrachteten Job an?

• Ich kann nur das Gleiche sagen wie beim Bewerbungsgespräch. Es ist für mich eine spannende Aufgabe, eben weil es nicht einfach ist. Dinge, die von vornherein völlig klar sind, sind nicht sehr herausfordernd. Wenn ich an meine zwei vorherigen Jobs - also Schuldnerberatung und Frauenhaus - zurückdenke, da war ich immer von Anfang an beim Aufbau dabei. Beide Betriebe arbeiten jetzt sehr gut, da reizt es mich, etwas Neues anzufangen.

Auffallend bei Deiner Bestellung war die große mediale Unterstützung für Dich.

• Zum einen war das sicher die bevorstehende Nationalratswahl, weil politische Themen vor einer Wahl eben immer sehr brisant werden. Zum anderen war es die Objektivierung und damit das Frauenthema an sich. Da hat es schon eine starke Lobby gegeben. Die Mediengeschichten sind aber von selbst entstanden, ich habe von mir aus kein einziges Mal Kontakt zu Medienvertretern aufgenommen.

Als Parteiunabhängige in leitender Funktion bist Du im Salzburger Magistrat sicher ein untypischer Fall. Hat Dich schon eine Partei gefragt, ob Du nicht beitreten willst?

• Nein.

Der Wirbel um Deine Bestellung war wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen mag. Viele prognostizieren Dir, daß Du politisch einen schweren Stand haben wirst. Wenn man in die ÖVP ein bißchen hineinhorcht, hört man jetzt schon den Vorwurf, Du wärst eine »Sozialromantikerin«.

• Das hat für mich überhaupt keine Relevanz. Das ist nur eine typische Haltung gegenüber Leuten, die aus Sozialinstitutionen herauskommen und so ein Amt antreten. Frauenhaus, Schuldnerberatung, das kann nur Sozialromantik sein, so spielt sich das eben in manchen Köpfen ab.

Beruhigend für die ÖVP wäre vielleicht, wenn dort Dein Spitzname aus der Schuldnerberatung bekannt wäre. Deine Kollegen und Kolleginnen nennen Dich ðSparfuchsÐ. Welche Konzepte zur Stabilisierung des Sozialbudgets würdest Du - wohl wissend, daß die Amtsleiterin keinerlei gesetzgebende Kompetenzen hat - verfolgen?

• Detailliert kann ich da erst etwas sagen, wenn ich im Amt weiß, was exakt läuft und was wo ausgegeben wird. Aus meiner bisherigen Erfahrung denke ich, daß man flexibler sein kann mit der Sozialhilfe und sich von der Öffentlichkeit nicht in einen so engen Rahmen hineinpressen lassen muß. Gleichzeitig bedingt Flexibilität aber stärkere amtsinterne Kontrolle.

Ein anderes Thema ist die Frage der Krankenversicherung. Mir fällt schon seit Jahren auf, daß das Sozialamt, für jemanden, der keine Versicherung hat, Monat für Monat zwei- bis dreitausend Schilling zahlt, daß die Leute zum Arzt gehen können...

...also den Höchstsatz...

• ...ja, das ist ein Wahnsinn! Da, glaube ich, sollten wir mit der GKK etwas anders aushandeln . Da kann viel gespart werden.

Daß gerade das Sozialamt immer wieder in Diskussion kommt, liegt wohl nicht nur an Problemen im Amt, sondern auch daran, daß immer mehr Menschen in die Sozialhilfe gedrängt werden. Wo würdest Du - aus Deiner bisherigen Berufspraxis heraus - die Ansatzpunkte für eine präventive Sozialpolitik sehen?

• Da ist immer wieder das Thema Wohnen. Leute, die mit ihrem Einkommen im unteren Bereich sind, können sich das einfach nicht mehr leisten. Das ist das Unfairste überhaupt, wenn die dann zu Sozialschmarotzern degradiert werden. Da verdient jemand zehntausend Schilling, hat vielleicht noch ein Kind, und die Miete kostet sechstausend aufwärts. Da kann heute niemand mehr überleben, das geht einfach nicht. Oder Alleinstehende, zum Beispiel Menschen nach Scheidungen - da fallen mir auch unterhaltspflichtige Männer ein -, die sind ohne Sozialhilfe komplett erledigt. Wenn man bei den Mieten etwas wirklich Entscheidendes tut, wäre das sicher eine ernsthafte Entlastung der Sozialhilfe.

Ein anderes Beispiel sind die Karenz-geldempfängerinnen, die oft zu Hilfeempfängerinnen werden. Besonders in der Stadt kommt kaum eine alleinstehende Karenzgeldbezieherin ohne Sozialhilfe aus.

Du warst bisher, im Frauenhaus wie auch in der Schuldnerberatung, immer eher eine Art Anwältin für sozial Schwächere. Jetzt in der Sozialverwaltung stehst Du als Vertreterin der öffentlichen Hand auf der anderen Seite.

• Ich sehe das nicht als so großes Spannungsverhältnis. Es ist ja nicht alles mit Geld zu lösen. Man müßte da etwa in der Beratung viel innovativer sein. Es gibt viele Fälle, wo über Jahr und Tag immer dasselbe ausbezahlt wird, wo sich nichts bewegt und nichts ändert. Da muß ein anderer Ansatz - auch in Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Sozialeinrichtungen - gefunden werden, damit sich eventuell die Dinge so ändern, daß die Hilfe nicht mehr notwendig oder zumindest weniger wird. Da geht es um Know How und Grips, und nicht in erster Linie um Geld. Wenn man das schafft, die Mitarbeiter mitmachen und wir auch die Möglichkeiten eingeräumt bekommen so zu arbeiten, dann sehe ich viele Chancen.

Was würdest Du in einem Jahr gerne erreicht haben? Außer daß Du das erste Jahr unbeschadet überstanden hast, aber das wär' ja auch schon was...

• ...ja, das wär' schon was.

Erreichen möchte ich, daß die Mitarbeiter am Sozialamt wieder gerne dort arbeiten wollen, daß sie einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen und daß es keine neuen Versetzungswünsche gibt. Und erreichen will ich, daß sich die Klienten, die Hilfe suchen, bei uns gut aufgehoben fühlen.Ob das alles in einem Jahr geht, weiß ich nicht. Das ist vielleicht schon ein bißchen bald.

Danke für das Gespräch.

Renate Szegedi-Staufer,

mit 1. März 1996 Leiterin des Salzburger Sozialamtes, ist Vorsitzende des Vereins »Salzburger Frauenhaus« und führt

den Vorsitz der

»Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Österreich«.