märz 1996

Ludwig Laher
wenn und aber

Worauf wir stehen

Die nichtverbauten Gebiete würden vollkommen genügen. Und die Tiefe? Mein Gott, fünf Meter vielleicht. Stellen Sie sich das vor, fünf Meter, überall. Fundamente wären darunter, aus allen Zeiten, Mauerreste, Fliegerbomben natürlich, vergrabene Abzeichen und sonstiges Material, das einen diskreditiert in neuen Zeiten. Werkzeuge und Geschirr aus unterschiedlichen Jahrtausenden, sicherlich Kunstwerke, ein Apoll von Willendorf unter Umständen. Ferner Müll, sehr viel Müll, unverrottbarer, Pril und Presto und Vim im Plastikgebinde, made in 69 zum Beispiel. Schätze, ohne Zweifel auch Schätze, vergraben vor heranrückenden Feinden, dem Lehensherrn, den Nachbarn, Gold und Münzen mit vergessenen Köpfen drauf.

Und Waffenlager. Für Partisanenkämpfe hinter den Fronten, die Wiedererrichtung alter Unordnungen, die Schaffung neuer. Streitäxte und Panzerfäuste, Spieße und Maschinengewehre, Kanonenkugeln und Dynamit.

Und nebenan, zum Schießen ist das eigentlich, neben den Waffenlagern, vielleicht zehn Meter oder Kilometer, mag sein dreißig, die dazugehörigen Toten. Leichenberge, wohin das Auge reicht. Nicht die auf den Friedhöfen. Die blieben schön, wo sie sind. Nein, in Wald und Flur, wo die Bauernkriege tobten und die KZ-ler reihenweise umgefallen wurden, wo eine stark frequentierte Kreuzung während der Völkerwanderungen ihren Blutzoll forderte. Apropos Zoll: An den Grenzen vor allem, umstritten im Wortsinn, oder am Galgenberg nächst meinem Haus, wo der Pfleger die vogelfreien Zigeuner in vernünftig großen Stückzahlen verscharren ließ.

Wenn wir nur fünf Meter runtergingen, was stieße uns da alles auf, einst bewältigt mit nichts als Erde!