märz 1996

kurzfehler

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Hans Lettner, Leiter der Stadtbücherei und als Senatsrat mit den Würden der Bürokratie ausgestattet, war in der Landeshauptstadt ein nur Eingeweihten bekannter Bücherwurm. Das dürfte sich, nachdem der städtische Bibliothekar mit einer kulturpolitischen Glanzleistung aufgefallen war, jetzt rasch ändern. Kurz vor Weihnachten (die Gedanken schon trüb von über den Mirabellplatz ziehenden Schwaden Glühweinduftes?) verfaßte der Beamte ein Schreiben an die Mitglieder des Kulturausschusses, in dem sich Lettner über eine vom Literaturhaus Eizenbergerhof versandte Weihnachtsgrußkarte so seine Gedanken machte.

Er habe sich zwar sehr gefreut, aber er müsse doch seiner »Verwunderung darüber Ausdruck geben, in welch aufwendiger Ausführung diese Glückwunschkarte gestaltet ist.« Und weiter im Text: »In Zeiten, in denen besonders auch die Stadtbücherei unter großer finanzieller Not leidet, schmerzt es, wenn Einrichtungen, die durch Subventionen vor allem der Stadt Salzburg erhalten werden, solch aufwendige Glückwunschkarten versenden.« Und da auf den Weihnachtskarten kein Sponsor aufgedruckt war, folgerte der Bibliothekar messerscharf, »daß die Mittel für diese Karte aus Subventionsgeldern stammen.«

Damit aber nicht genug: Die niveauvolle Attacke Lettners gegen das Literaturhaus wurde nicht etwa in den Altpapiercontainern entsorgt; im Gegenteil: Der Bürgermeister und andere Mitglieder des Stadtsenates erkannten in Lettner einen ihres geistigen Formates und nahmen sein Schreiben zum Anlaß, eine geschlagene Stunde über Postkarten oder beispielsweise die Druckqualität des E-Bühnen-Magazines zu diskutieren.

Daß eine Sitzungsstunde des aus Steuergeldern subventionierten Vereines »Stadtsenat« nicht gerade billig ist, darf als bekannt vorausgesetzt werden...

Josef Dechant, ÖVP-Bürgermeister,Finanz- und Kulturreferent, schrieb in Beantwortung eines Leserbriefes selbst einen solchen an die SN. O-Ton Dechant: »Außerdem konnte ich das ohnehin hoch dotierte Kulturbudget meines Vorgängers Dr. Fartacek trotz dringend notwendiger Sparmaßnahmen halten bzw. teilweise sogar steigern.« Und warum merkt niemand was davon? Dechant: »Allerdings gehen diese Tatsachen an den scheinbar nur am Negativen interessierten Kulturjournalisten vorbei.«

Ja, ja, die Presse! Wir wollen uns hier ja nicht in Zahlenspielereien ergehen, aber kleinlich, wie wir sind, sei doch angeführt, daß der Anteil des Kulturbudgets am Gesamthaushalt der Stadt 1993 über sechs Prozent lag und 1995 bereits unter 4,7 Prozent herumgrundelt.

Und irgendwie dürfte das auch dem Herrn Bürgermeister klar sein. Merkt er doch noch an, daß »Gott sei Dank« der Künstler noch die Gabe hat, »auch ohne großen finanziellen Aufwand Großartiges zu schaffen.« Bei unserer Stadtregierung verhält es sich wohl umgekehrt.

Die Staatspolizei hat derzeit einfach keinen Lauf:Briefbombenbastler? Nix! Oberwarter Sprengfallenbauer? Nix! Klagenfurt, Stinatz, Ebergassing.... Zu allem Überfluß müssen dann auch noch ein paar Wahnsinnige das Salzburger Amex-Büro abfackeln. Da die Exekutive auch hier völlig im dunkeln tappt, beginnt man sich erst einmal in Salzburg zu orientieren. Da werden harmlose BürgerInnen als Auskunftspersonen vorgeladen und wie Verdächtige befragt, wie sie zur NATO-IFOR-Aktion in Bosnien stehen oder ob sie ein Fahrrad (!) besitzen. Wie war das noch in Casablanca? »Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen...«

Der Dachverband Salzburger Kulturstätten hat anläßlich der Erweiterung auf nunmehr 25 Mitglieder eine Fülle von kulturpolitisch brisanten Vorschlägen unterbreitet. Zur rechten Zeit - da im Zuge der Debatte um die Bürgermeister-Direktwahl und eine neue Wahlordnung in der Landeshauptstadt das Stadtrecht ohnehin zu novellieren ist - kommt die Forderung nach einer Änderung des Stadtrechtes. Unter anderem verlangt der Dachverband, daß bei nicht-öffentlichen Sitzungen Betroffene Beobachterstatus erhalten sollen und daß Amtsberichte zumindest von jenen gelesen werden dürfen, über die der jeweilige Bericht entscheidet. Der bisher praktizierte »Datenschutz vor sich selbst« ist ja wirklich kaum argumentierbar. Entscheidend wird wohl sein, inwieweit Sozialdemokraten und Grüne Anliegen wie Transparenz und mehr Demokratie unterstützen.

Die HOSI Salzburg hätte 1995 nach fünfzigprozentiger Kürzung mit öS 20.000.- nur ein Zehntel der Subvention der Linzer Schwesternorganisation erhalten. Nun scheint diese wichtige Einrichtung selbst um diesen Betrag geprellt zu werden, da der oberste Säckelwart, Josef Dechant, offensichtlich homosexuellen Menschen seinen Geldsack kategorisch verweigert. Einzig die Bürgerliste protestierte und beantragte für 1996 eine Subvention von 200.000 Schilling.

Stefan Zweig, diesem »großen Dichter und Europäer«, schenkte Bürgermeister Dechant kürzlich anläßlich der Eröffnung einer großen Zweig-Ausstellung in Dresden seine Hochachtung. Wenn die Ausstellung nach New York weiterwandert, könnte sich dieses Schauspiel weltoffener Kulturfreundlichkeit wiederholen, während der 1992 erstmals verliehene Stefan-Zweig-Preis für Literatur nach einmaliger Vergabe der berühmt-berüchtigten Verzögerungstaktik des Finanz- und Kulturchefs zum Opfer zu fallen droht. Dechant möge also in New York den neuen Preisträger bekanntgeben, fordert die IG Autoren in einem Offenen Brief; und weiter: »Falls der Zweig-Preis nach einmaliger Verleihung jedoch sanft entschlafen soll, mögen Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, den Mut haben, dies auch öffentlich einzugestehen und Ihre Reisen in die große weite Welt im Namen Stefan Zweigs in Zukunft zu unterlassen.«

Andreas Laun und Werner Thuswaldner, der eine Weihbischof, der andere SN-Kulturchef, rittern sich um die größte Peinlichkeit des Monats Februar. Laun meinte zum Thema Kondome, daß eine Gratisverteilung der Hüterli so wäre, als ob man Dieben Handschuhe aushändige. Thuswaldner wiederum mokierte sich in einer Theaterkritik über die »gewiß nicht umwerfende erotische Ausstrahlung« der Landestheaterschauspielerin Alexandra Tichy, die aber im Stück alles daransetze, »naturgegebene Mängel« auszugleichen. Tief meine Herren, sehr tief!