april 1996

Didi Neidhart
gehört

LOU REED: Set The Twilight Reeling« (Warner) - IGGY POP: Naughty Little Doggy (Virgin)

Nach dem halbverunglückten Versuch von David Bowie, sich mit »1.Outside« wieder als Avant-Pop-Größe ins aktuelle Musikgeschehen einzuklinken, serviert nun mit Iggy Pop und Lou Reed der Rest der einflußreichsten unheiligen Dreifaltigkeit der Siebziger ihre neuen Produkte. Das gibt schon mal genügend Zündstoff für nächtelange Streitgespräche, werden doch beide als gegenpolige Prä-Punk/New Wave-Blaupausen der Post-Sixties gehandelt, deren Aktivitäten der letzten Jahre auch als verschiedene Wege gelten, wie man auch nach dem 45. Geburtstag noch Rockmusik machen kann, ohne zum alten Sack zu veralzheimern (detto Neil Young).

Reed löst dieses Problem mit suspektem Equipment-Fetischismus, dessen Big Noise-Ergebnisse zwar heftigst reinknallen können, der jedoch fragwürdig wird, wenn über die Hälfte der CD aus akustischen Balladen besteht, und stilisiert sich (die Kunst/Künstlerfigur) als hermetisch abgeschlossenes, unverwundbares, autonomes Schöpfersubjekt, kappt die Taue zu Teilen seiner Vergangenheit (die versaute Velvet Underground-Reunion) und landet mit der Losung »Neue Frau, neues Leben« (»A new self is borne...the ohter one is dead«) sicher noch in Theweleits »Buch der Könige«. Daß es auch anders geht, zeigt der Song »Sex With Your Parents (Motherfucker)«: »I was getting so sick of this right wing republican shit/These ugly old men scared of young tit and dick/So I tried to think of something that made me sick«.

Ganz anders verhält es sich bei Iggy Pop, der immer noch kein Lust verspüren dürfte, so etwas wie sein »Alterswerk« in Angriff zu nehmen. Dementsprechend hundsgemein vital (»I’m deeper than the shit I’m in«), rauh, sexy, dreckig, überdreht und von den Spuren der Vergangenheit mit Narben durchzogen (die alter egos Iggy Stooge/The Idiot sind auch dabei) klingt die neue CD. Punkrock ohne Stillstand und Verschleißerscheinungen. Get it!