april 1996

Mario Jandrokovic

Splitter aus der geteilten Stadt

Das Friedensbüro will in seiner Woche bosnischer Kultur einen Blick über den ethnischen Schaukasten hinweg freigeben

Da sollte noch jemand behaupten, Kultur sei lediglich ein irrelevantes, im Symbolischen verhaftetes Nebenher. In Mostar, also jener Stadt, wo jede minimale Erschütterung das -dezent ausgedrückt - labile Gleichgewicht gravierend bedroht, finden sich derzeit neben rund 150 humanitären Organisationen auch parteipolitische Vertreter jeglicher Couleur, die das Gewicht ihrer Gesinnung auf diese Waagschale zu werfen trachten. Auch aus Österreich ist im Zentrum der Umtriebigkeit, dem Hotel Ero, die politische Landschaft von A über F bis Z vertreten, um humanitäre Hilfe, Wirtschaft und eben auch Kultur als jene Hebel einzusetzen, mit denen die Weltordnung auf der Tabula Rasa namens Bosnien in die Angeln der eigenen Anschauungen gehoben werden sollte.

Auf Initiative des Salzburger Friedensbüros halten sich seit Monaten zwei Friedensbedienstete in der Stadt auf, die nunmehr durch die Neretva ethnisch und politisch geteilt wird. Sie haben die Aufgabe, freie Kultur-initiativen in beiden Teilen der Stadt infrastrukturell zu unterstützen und auch die Zusammenarbeit über die neue Grenze zu fördern. Ihre Aufgabe ist zweifellos dadurch beträchtlich erschwert, daß eben gerade auch die Kulturarbeit als politisches Repräsentationsmittel vereinnahmt wird. In der Stadt, in der laut informierten Bewohnern jetzt mehr Kapital fließt als je zuvor, wurde etwa aus EU-Geldern ein »Haus der Jugend« errichtet, das zwar Marmorstufen hat, aber keine Lüftung oder technische Ausstattung.

Mit dem entbehrlichen Equipment hiesiger Theater- und Musikhäuser soll dieses Projekt des Friedensbüros einen Technikpool aufbauen, der allen freien Theatern und Kulturinitiativen Mostars zur Verfügung steht. Das Friedensbüro veranstaltet in der Zeit von 9. bis 16. April eine Kulturwoche unter dem Titel »Pax Bosniensis. Kultursplitter«, die eine breitere Öffentlichkeit von diesem Projekt und der allgemeinen Situation in Mostar aufmerksam machen will, ohne das kulturelle Leben in dieser bosnischen Stadt dem ethnischen Schaukasten auszuliefern.