april 1996

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Die Geschlechterdifferenz und das Internet

Einige Hintergründe zur geringen Präsenz von Frauen im Internet

Der Zugang zum Internet hängt bekanntlich mit sozialem Status (also Geld), Bildung und Ge-schlecht zusammen. Daß der Anteil der weiblichen Internet-

SurferInnen in Europa nur zwischen fünf und zehn Prozent

liegt, erscheint so ganz logisch.

Die Auswirkungen der ge- schlechtshierarchischen Arbeitsteilung (die hard facts werden als bekannt vorausgesetzt) lassen den Frauen zum einen kaum Zeit: Während ER zuhause vor dem PC sitzt, kann SIE in Ruhe putzen, kochen und ihm die Kinder vom Leibe halten. Zum anderen verfügt SIE nebenbei noch über viel weniger Geld (wo SIE doch 60% ihrer Arbeit unbezahlt leistet) und kann sich daher auch schwerer einen Internet-Zugang leisten: Um die bedienungsfreundlichste Internet-Software einsetzen zu können, ist ein relativ leistungsstarker PC vonnöten, abgesehen von den Folgekosten, die das Surfen mit sich bringt.

Einen Computer zu haben, über Computer oder das Internet zu reden, hat für die meisten Männer immer noch mit Potenz zu tun: Wer hat den Größten, Leistungsstärksten, Schnellsten, die besten Programme, weiß, wo das Neueste zu haben ist, und wer kann mit den meisten Fachausdrücken um sich werfen... Eine Kultur, die den meisten Frauen sehr fremd ist und der sie sich auch nicht zugehörig fühlen.

Das Internet ist ein hauptsächlich von Männern gestalteter und beherrschter Raum. So werden nicht nur die Inhalte von Männern bestimmt, sondern auch die Art der Kommunikation im Cyberspace. Diese ist verkürzt (vielfach über Zeichen und Symbole), und die Anonymität enthemmt, weil das leibhaftige Gegenüber fehlt. Der Gesprächsstil im Internet ist daher viel offener und aggressiver. Frauen werden vielfach dadurch abgeschreckt, weil sie es gewohnt sind, viel mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen zu nehmen, und weil in der virtuellen Kommunikation die Zwischentöne oft fehlen.

Ein für Frauen sehr unangenehmes und ausschlußbewirkendes Phänomen ist die im Internet viel offener ausgelebte Anmache und sind die sexuellen Belästigungen, über die Männer Kontrolle ausüben. So geben sich Frauen in Fachdiskussionen am Internet teilweise als Männer aus, um entweder überhaupt oder zumindest ungestört an Informationen heranzukommen.

Abschreckend wirken für Frauen auch Berichte über die (real existierende) Computerpornographie. Diese Ausdrucksform der männlich dominierten Netzkultur soll hier nur erwähnt werden, obwohl sie einer weiteren Ausführung bedürfte.

Frauen, die mit dem Internet in Berührung kommen, tun dies also hauptsächlich von Berufs wegen, und auch hier sind die Zugänge sehr unterschiedlich: Frauen be-gegnen den neuen Medien und ihren Möglichkeiten weniger spielerisch als Männer, sondern vielmehr zielgerichtet. Sie schätzen offenbar den Zeitaufwand, lange auf Informationen oder aufwendige Bilder warten zu müssen, als zu hoch und zu sehr als Luxus ein, bzw. sie fühlen sich (im Gegensatz zu Männern) schuldig, wenn sie den Computer am Arbeitsplatz nicht für die Arbeit nutzen, sondern spielerisch damit umgehen.

Anders sieht dies offenbar aus, wenn sie eigene Netze bilden, die von ihnen selbst eingerichtet werden, die sie bedienen und benützen wollen und wo sie als gleichberechtige Partnerinnen Zugang haben. Zu erwähnen ist hier das EU-Projekt on-line NOW, in dessen Rahmen ein frauenspezifisches und auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtetes Informations- und Kommunikationsnetz in Österreich eingerichtet wird. PowerNet wird demnächst online gehen.

Die Männerkultur des Internets kann nur aufgebrochen werden, wenn sich mehr Frauen einklinken, sich aktiv beteiligen, sich ungeniert einmischen und sich nicht abschrecken lassen. Es gilt, dieses Medium der Informationsrevolution um die besseren Kommunikationsfähigkeiten der Frauen zu erweitern und in seine Weiterentwicklung positiv einzugreifen.

Anna Stiftinger ist Politologin und arbeitet im Bereich Frauenförderung im Umgang mit den neuen Kommunikations- und Informationstechnologien.