mai 1996

Doc Holliday
geschaut

Splatting Images

oder: Wieviel Ketchup braucht man für einen lustigen Film?

Anmerkungen zum Kino-Shooting-Star der Neunziger anläßlich der Tarantino-Filmnacht im Das KINO

Nach dem medialen Overkill der letzten Jahre hat sich der Hype um Quentin Tarantino zumindest in unseren Breiten etwas gelegt. Kurz bevor die neuen Werke dieses »Godard der 90er Jahre«, der Episodenfilm »Four Rooms« und »From Dusk Till Dawn«, auch unseren Hinterwald erreichen, veranstaltet Das KINO eine Tarantino-Filmnacht mit vier ausgesuchten Streifen. Da ist einmal seine erste Regiearbeit, »Reservoir Dogs« (1991). Mit langen Einstellungen und dauernd wechselnden Zeitebenen wird in diesem beklemmenden, atemberaubend unversöhnlichen Kammerspiel die Geschichte eines mißglückten Diamantenraubes erzählt.

Mitte der 80er schrieb Tarantino gemeinsam mit Roger Avary sein erstes Drehbuch, »True Romance«, das erst 1993 von Tony Scott verfilmt wurde. Dieser setzte die geradlinige Story in gekonnter Mainstream-Hollywood-Manier um (Weichzeichner, schnelle Schnitte...). Dennoch gibt es genügend typische Tarantino-/Avary-Stilmittel, Figuren und Insider-Scherze: der unglaubliche, aberwitzige Showdown, die witzigen Dialoge (D. Hoppers Theorie über sizilianisches Erbgut), die permanenten Verweise auf Popkultur (Elvis, Kung Fu-Filme, Hamburger...) und einen coolen Soundtrack, der die Story zusätzlich kommentiert und ironisiert. Auch in Roger Avarys erster Regiearbeit, »Killing Zoe« (1994; Tarantino fungiert als Produzent), finden sich diese Stilmittel und inhaltlichen Elemente wieder.

Der Anthologiefilm »Pulp Fiction« (1994), Tarantinos zweite Regiearbeit, spielt vor allem mit den Bezügen zur Tradition des Film Noir. Man nimmt an der blutigen und burlesken Odyssee zweier kleinkalibriger Killer teil und begegnet einem Ensemble anderer tragisch-komischer Figuren. Im Gegensatz zu »Reservoir Dogs« ist der Film geradezu laid-back. Realität und Action werden nicht verbal konstruiert, verdichtet und vorangetrieben, sondern durch Zitate, das Spiel mit ihnen und durch überraschende Brüche, die jede Bedrohlichkeit vermeiden. Bei einem verblüffenden Reichtum an merkwürdigen Einstellungen ist »Pulp Fiction« nämlich vor allem auch »ein überaus lustiger Film« (konkret). Die Aussagen von Tarantinos Filmen reichen im unmittelbarem Sinne nicht über den Filmkontext hinaus. Als politischer Kommentar zur sozialen Realität oder als pädagogisierende Sozialkritik, wie in Oliver Stones ambivalentem »Natural Born Killers« (nach einer Story von Tarantino; vom Film distanzierte er sich aber), ist diese ironische Sophistication im Umgang mit diesem Material nicht gedacht und höchst untauglich. Dennoch sind diese Filme durchaus lehrreich: So werden manch drängende Fragen erörtert, etwa warum man Trinkgelder geben muß, wie die Franzosen einen Viertelpfünder nennen, wovon Madonnas »Like A Virgin« handelt u. a. mehr. Die richtigen Antworten erhalten Sie am 24.5. Das KINO. Alle Filme - aus verleihtechnischen Gründen - in deutscher Synchronfassung, nur »Killing Zoe« im amerikanischen/französischen Original mit deutschen Untertiteln.

Bis dahin gilt: »Mr. 9mm, hier ist der Hirte, der meinen gerechten Hintern im Tal der Dunkelheit be- schützt« (Killer Jules in »Pulp Fiction«).