mai 1996

Birgit Feusthuber
zu gast

TieWie - Ein Kinderstück zum Glotzen

»Die Desiree ist im Fernseher verschwunden!« ist eine aufgeregte Kinderstimme aus dem quirligen Dunkel des Saales zu vernehmen. Tatsächlich: Kurz vorher konnte man noch die zappelnden Beine des Mädchens erkennen, das nun vom »Eisengesicht« (so der Kommentar eines anderen Kindes) direkt vom Wohnzimmer in den Apparat gezogen worden war. Was ist passiert? Desiree und Wolfi sind Geschwister in einer gewöhnlichen Familie. Zentrum des Familiengeschehens bildet der Fernseher. Er fungiert als ergiebiges Belohnungs- und Bestrafungsobjekt im Erziehungssystem der Eltern - neben Chickenmcnuggets und Gameboy-Spielen, eh klar. Gleichzeitig bildet der Druck auf die Tastatur der Fernbedienung die häufigste Bewegungsform der Eltern. Die ganz normalen Verhältnisse werden schon zu Beginn des Stücks klargestellt. Die »Frage zum Tag«, vom imaginären ORF-Team gestellt, beantwortet Franz, der Vater, folgendermaßen: »Ja, der Kabelanschluß, der war beim Haus schon dabei. Da mußten wir...ja schaun tun wir eigentlich sehr wenig«. Die Kinder sehen das so: »Die Mama, die schaut am Vormittag, am Nachmittag und am Abend«, sagt Desiree. Und Wolfi ergänzt: »Und der Papa, der schaut nur, wenn er nach Hause kommt, aber dann immer. Ja, das waren gerade jetzt unsere Eltern. Wie wir heißen? Schaumaier.«

Wie Desiree, die eigentlich nur dem Kasperl helfen wollte, weil ihn das Gesicht mit der Eisenmaske bedroht hat, durch die verschiedenen Fernsehkanäle gejagt wird, in Shows landet und im »Klingenden Österreich«, wie Wolfi sie schließlich am Bildschirm entdeckt und keiner ihm glaubt, bis er selbst in den Fernseher einsteigt und seine kleine Schwester als Westernheld befreit: Das alles ist ein Riesenspaß, turbulent und akrobatisch in Szene gesetzt. Der Reiz des Stückes von Wolf Junger lag neben der witzig-intelligenten Dialogführung vor allem aber in der schauspielerischen Leistung von Caroline Richards und Georg Schubert. Innerhalb von Sekunden wechselten sie mit einfachsten Mitteln Eltern- und Kinderrollen. Einziger Einwand: die hohe Stimme Desirees und das Lispeln Wolfis.