mai 1996

Thomas Neuhold

Sozialdemokratische Taschlzieher

Der politische Wortbruch der SPÖ ist auch ökonomisch blanker Unsinn.

Österreichs Sozialdemokraten haben eine Chance vertan. Wieder einmal. Der unerwartet hohe Wahlsieg Ende 1995 war eine deutliche Absage an Haiders Machtgelüste und ein Apell der WählerInnen für eine Resozialdemokratisierung der Politik. Nur wenige in der SPÖ - etwa Casper Einem mit seiner versuchten Bundesheerdebatte - haben das in Ansätzen begriffen. Als Dank für das WählerInnenvertrauen fahren die SPler nun einen Kurs, der Selbsteinschätzungen wie »Anwalt der sozial Schwachen« (Landesparteichef Gerhard Buchleitner) zum blanken Zynismus verkommen läßt. Buchleitner wird die Rechnung bei der Landtagswahl 1999 serviert bekommen.

Denn alle, die 1995 SPÖ gewählt haben, müßten sich täglich einmal in den Arsch beißen. Mindestens einmal! Auch die kleinen und mittleren FunktionärInnen, die für ihre Partei gelaufen sind. Hat doch ihre Führung genau jene »Spar-Ideologie« übernommen, die seit Urzeiten als Keule gegen alle Reformbestrebungen dient. Die »Krone« bedient sich des »Spar«-Arguments ebenso gerne wie ÖVP und F. »Sparen« heißt immer gegen soziale Einrichtungen, gegen Bildung, gegen Frauenrechte, gegen Kultur, gegen Kinderbetreuung... Sparen, das hieß noch nie weniger Militär!

Fern solcher Gesinnungsfragen erinnern die Methoden der Sparmeister sehr an Kleinkriminelle: Auch HandtaschlräuberInnen suchen sich vorzugsweise die Schwächsten als Opfer aus. Es ist eine miese, wiederwärtige und verlogene Abzockermentalität, die sich da breitgemacht hat. Vertragsbruch, wie etwa bei der Anrechenbarkeit von Pensionszeiten, wird zur politischen Methode.

Hintergrund der Taschlzieherei sind vor allem die Maastricht-Kriterien. Daß diese ausschließlich monetäre und keine sozialen Standards vorschreiben, sagt genug über den sozialpolitischen Charakter deren EU. Daß uns gerade die SozialdemokratInnen versprochen hatten, ihr EU-Beitritt werde kaum etwas kosten, sagt genug über den persönlichen Charakter der AkteurInnen.

Es ist schon paradox, wenn die SP-dominierte Bundesarbeitskammer das Sparpaket per Akklamation verabschiedet und ausgerechnet die schwarze Tiroler AK protestiert. Auch die österreichischen Bischöfe, nicht gerade ein Hort der Fortschrittlichkeit, verlangen Korrekturen. Der ÖGB heißt die Abzockerei hingegen gut. Ja selbst Industrie und Handel warnen mittlerweilen vor dem ökonomischen Unsinn, den uns die Sparefrohs bescheren. Hans-Olaf Henkel, Chef des deutschen Industriellenverbandes, ist gewiß ein unverdächtiger Zeuge. Er kommentierte die europaweiten Anstrengungen zur Defizitreduktion mit den Worten: »Auch das stabilste Schiff sinkt, wenn sich alle auf eine Seite stellen.« Henkel warnt ausdrücklich vor dem Spardogma, da politisch motivierter Investitionsentzug eine Spirale nach unten lostrete: Sinkende Nachfrage, weniger Gewinn, Rückgang in der Produktion, mehr Arbeitslose, weniger Konsum,... Allen, die in Geschichte aufgepaßt haben, kommt das sicher bekannt vor. Die radikal nach unten revidierten Wachstumsprognosen sind ein deutliches Warnsignal.

Am Beispiel Werkvertragssteuer

Wie unsozial aber auch wie ökonomisch unsinnig die SPÖ-Politik ist, läßt sich auch am Beispiel der neuen Werkvertragsregelungen demonstrieren. Für rund 30.000 Menschen, die sich ihre Brötchen mittels Werkvertrag verdienen, kommt ab 1997 zumindest - für einige auch eine neue Steuer - die Sozialversicherungspflicht. Der Dienstgeber - zu einem Teil sind das übrigens auch Kulturstätten - zahlt dann rund 16 Prozent des Honorars für Kranken- und Pensionsversicherung, der Beschäftigte über 13 Prozent. Ein Fortschritt, möchte man meinen, wenn die WerkvertraglerInnen nun aus ihren prekären Arbeitsverhältnissen herausgelöst werden. Mitnichten! Der Werkvertrag wird auf diese Art zwar wesentlich teurer, Krankengeld gibt’s aber keines. Im besten Fall, sinken die Honorare eben um über zehn Prozent, im schlechtesten wird der nun teurere Vertrag gekündigt. Die WerkvertraglerInnen stehen dann ohne Job da, die kleinen Unternehmungen ohne Arbeitskräfte. Das ist Fortschritt a la SPÖ: Der Faktor Arbeit wird so lange verteuert, bis der ohnehin schmale Arbeitsmarkt für JungakademikerInnen, StudentInnen oder Menschen, die mangels Kinderbetreuungseinrichtungen Freiberufler-Innen geworden sind... endgültig zusammengebrochen ist.

Schon jetzt basteln Vereine und Kleinstunternehmen an abenteuerlichen »Lösungen«. Wo es geht, wird künftig »schwarz« bezahlt. Oder das bezahlte Honorar wird »korrigiert«, um unter die Meldepflichtsgrenze zu kommen. Was darüber liegt wird in »Naturalien« - Kilometerabrechnungen oder Benzinbons bei der Tankstelle nebenan - ausbezahlt. Betriebe mit drei oder mehr Werkvertragsnehmer-Innen werden eine Person regulär anstellen und zwei auf die Straße setzen. Aber das juckt die SP wenig, die stehen ja nicht in der Arbeitslosenstatistik.

»Das ist Fortschritt á la SPÖ: Der Faktor Arbeit wird so lange verteuert, bis der ohnehin schmale Arbeitsmarkt für JungakademikerInnen, StudentInnen oder Menschen, die mangels Kinderbetreuungseinrichtungen FreiberuflerInnen geworden sind... endgültig zusammengebrochen ist.«