mai 1996

Didi Neidhart

Easy Listening

Ein »Radio Melody« Hörtest

Privatradios sind wie Privatsender. Sie minimieren die Reichweiten der öffentlich-rechtlichen Anstalten, indem sie ihren Qualitätsanspruch noch einige Stufen tiefer ansiedeln und so den Mainstream des Main-stream bedienen. Komischerweise ist es aber großteils das kostenintensivere Medium Fernsehen, bei dem sich die Privaten schon mal Sachen erlauben, die den Rest der AnbieterInnen wie Fossile aus der massenmedialen Steinzeit erscheinen lassen. Anders verhält es sich, wenn wir im Äther herumsuchen und eine dieser privaten Radiostationen erwischen. Klar kennen wir vom Urlaub supertolle Sender, die uns rund um die Uhr mit der jeweiligen Lieblingsmusik versorgen. Aber alle Tage ist nicht Urlaub, und so bleibt uns nur das hiesige Angebot.

Dieses ist jetzt durch »Radio Melody« erweitert worden, welches sich selber »Durchhörbarkeit« als oberste Maxime verordnet hat und in der sendereigenen Promotioneinschaltung versichert, weder Volkstümliches (wir hören Musikantenstadeliges), noch Zeitgeistiges (Techno) oder Heavy-Rock (untermalt mit grungigem Crossover) zu spielen. Stattdessen setzt man auf »adult contemporary music«, deren Zusammenstellung selbst dem aktuellen Ö3-Vormittagsprogramm einen Hauch von Progressivität verleiht. Das heißt jetzt nicht, daß alte Rock’n’Roll-Hadern von Elvis und Chuck Berry in die Mottenkiste gehören. Vielmehr werden sie von »Radio Melody« genau dorthin befördert, zusammen mit deutschen, französischen und italienischen Schlagern, die selbst auf den super- dümmsten subkulturellen Volldampf-Schlagerparties nicht die geringste Chance hätten. Aber es geht ja um »schöne, ruhige, besänftigende Musik in ihrem Lieblingsradio«, die als akustische Tapete (oder Valium) parallel zum Arbeitstag läuft, ohne die Produktionsfähigkeit der KonsumentInnen zu beeinträchtigen. Deshalb gibt es von 8 Uhr bis 9 Uhr den »Muntermacher«, im Büro warten dann schon »Der Ohrwurm« und die »Die Jukebox«, und während der Mittagspause (11 bis 13 Uhr) gibt es das »Mittagsmagazin«, dessen »journalistischen« Beiträge ganz darauf abgestimmt sind, daß eh alles in der Kantine futtert und dort niemand zuhört. Weiter geht es dann mit »Classic Hits«, »Evergreens«, »Easy Listening« nach dem Abendessen und der »Melody d’amour«, taktisch prickelnd am Wochenende plaziert.

Da muß man sich auch nicht groß darüber aufregen. Schließlich sind auch Antenne Bayern-HörerInnen für sich selbst verantwortlich. Was jedoch wirklich eine Frechheit ist, ist ein Musikprogramm, das auf eine Plattenkiste zurückgreift (bei den zig Wiederholungen pro Tag von einem Archiv zu reden, wäre lächerlich), die ungefähr so aktuell und gutsortiert ist wie der Bestand einer hinterletzten Landdiskothek. Aber vielleicht ist das ja das Konzept der privaten Regionalradios - den Eingeborenen die letzten Schmähs von vor 25 Jahren als Wegweiser ins mediale Superzeitalter zu verkaufen und Radioprogramm wie Glasperlen handzuhaben. Nur daß diesmal die Eingeborenen bei den Eingeborenen kaufen. Lustig, nicht?