mai 1996

Thomas Neuhold
schön und gut

Mägen für den Magen

Der »kunstfehler« widmet sich in der Rubrik »schön und gut« jenen Dingen des Lebens, die dieses um ein klein wenig lebenswerter machen. Aber gerade in kulinarischen Dingen sind die Einschätzungen darüber, für was es sich denn nun lohne weiterzuleben, höchst verschieden. Was dem einen höchster Genuß, läßt den nächsten ekeln. »An diesem Punkt kommt die Parallele zwischen Essen und Erotik zum Tragen«, hat der Gastro-Journalist Manfred Lechner im »Standard« dieses Phänomen treffend beschrieben.

Eine der kulinarischen Trennlinien durch unsere Gesellschaft wird vom Kuhmagen, vom Pansen, von den Kaldaunen gezogen. »Wuääääääh!«, Teile der LeserInnenschaft wird förmlich das Grausen packen, »wäh!!!«, jetzt kommt der »kunstfehler« auch noch mit Kutteln daher. Andere wiederum werden sich genüßlich zurücklehnen und sich an lange Freßabende in südlicheren Gefilden vor dampfenden Schüsseln voller Trippes erinnern. Die Steirer unter den LeserInnen wissen ohnehin um die kulinarische Urkraft, die in den Kutteln, in den Fleck steckt.

Die Kunst, diese Kraft zu wecken, ist leicht zu erlernen: Grundsätzlich kauft man doppelt soviel rohe (Kalbs-) Fleck wie im jeweiligen Rezept angegeben ist. Dann hat der Hund auch noch was davon, aber vor allem kann man sich nach dem Putzen die schönsten Teile rausschneiden.

Dann braucht man viel Zeit und einen großen Topf: Der Rindsmagen wird eine Stunde gewässert und dann in frischem Wasser mindestens eine Stunde kräftig gekocht. Ein dreiviertel Kilo des Magens wird feinnudelig geschnitten - fette Teile nicht verwenden! - und mit Salz, fünf Lorbeerblättern und Rosmarin vier Stunden gedünstet.

Inzwischen erzeugt man eine Kuttelsoß’: Zwei gehackte Zwiebel, ein feingehacktes Stück Sellerie und eine ebenso gehackte Karotte in Olivenöl anrösten, ein halbes Kilo Tomatenpüree (oder zwei Dosen geschnittene Pelati) dazu und mit Salz und Thymian würzen. Eine halbe Stunde kochen und dann die fertigen Kutteln und 25 dkg gekochte weiße Bohnen dazu. Mit Salz, Pfeffer und Knoblauch abschmecken und noch 20 Minuten köcheln lassen.

Das Rezept ist übrigens aus Italien. Aber es gibt auch gebackene Kutteln, Flecksuppe, Kuttelgulasch, Kaldaunen in Weinsauce.... Allen Rezepten ist eines gemeinsam: Die jahrelang als »Arme-Leut-Speise« verschmähten Kutteln sind immer noch sehr billig - das richtige Essen zum Sparkpaket.