mai 1996

an uns

LeserInnenbriefe

Reaktion auf den Leserbrief von Axel Magnus im April-kunstfehler:

Geh, Axl!

Herzliche Grüße

Christine Pramhas, Salzburg

Zu »What’s That Noise«,

Februar-kunstfehler

Ein Protest

Liebe Redaktion!

Welchen von Euch (denn eine Frau wird gewiß nicht diese Entscheidung gefällt haben) ich ansprechen muß betreffend der Photographie auf Seite 8 der Märznummer zum Artikel »What’s That Noise« von Neidhart und Jandrokovic, weiß ich nicht, und richte somit meinen Protest an die gesamte Redaktion, in welcher ja mit fünf Männern auch eine Frau sitzt, wie ich dem Impressum entnehme.

Mein Protest betrifft jene Photographie, die den Blick aus der Froschperspektive auf die Intimgegend einer tanzenden Frau richtet, durch die die Kamera zielgenau zwischen die Beine dieser abdrückt. Wobei die mit dieser Musik »identische« oder von Euch klischeehaft damit assoziierte Mode - Hotpants und Netzstrümpfe - diesem Blick alles preisgibt; wobei dieser Blick aber keineswegs jener ist, der aus einer »normalen« Perspektive sich darauf richten kann, möge es noch so sehr (Eure) Wunschvorstellung sein.

Mein Protest richtet sich gegen diese, die Intimsphäre der Frau grausig mißachtende, ja in diese sträflich hineinzielende Photographie. Mein Protest richtet sich nicht nur, aber in erster Linie, gegen die Veröffentlichung dieser Photographie, die Ihr Männer (und wirklich eine Frau?) der Redaktion zu verantworten habt; inwieweit sich dieser Protest auch gegen den Photographen als Urheber dieser Photographie richten müßte, ist nicht Gegenstand.

Die Veröffentlichung dieser Photographie zeigt - über das Dargestellte hinaus - Eure Position als Männer auf, und mir stellt sich die berechtigte Frage: Ist es der unbewußte Wunsch des Mannes, sich (und sei es im Rausch der Musik eines Technodancefloors) unter eine Frau zu legen, selbst in der Gier des zu erhaschenden EinBlickes? Denn es scheint, trotz der ansonsten vorherrschenden Obenauf-Stellung des Mannes, daß diese Erniedrigung des Weiblichen durch den Blick von unten verletzen soll. Denn es ist mehr als eine Provokation, es ist eine nicht nur das weibliche Auge beleidigende Darstellung der männlichen (Eurer) Position. Die einem öffentlichen Blick preisgegebene Darstellung Eures (männlichen) Blicks, oder sei es nur Eure Identifikation mit dem Blick der Kamera, überdies zur Ilustration eines Textes, deren »utopisches Moment in den ðpolitics of dancingÐ ethnischer und sexueller Minderheiten liegt«, stellt die subversive Taktik der veränderten Umgangsweisen mit der Lebens- als Produktionswelt gerade in einer Zeitung wie dem kunstfehler selbst in Frage. Und gibt damit jene, die diese Zeitung machen, der Lächerlichkeit preis.

Mit den publizistischen Mitteln des bestehenden Systems dieses politisch absolut unkorrekte Bild einzubringen, straft dieses darüberhinaus die journalistische Ernsthaftigkeit des Textes über die »Ent-Rückung/ Ent-Körperlichung mit und durch Musik und Groove« und über die »Auflösung von (Körper-)Strukturen« Lüge.

Die Frage nach der ethischen Rechtfertigung dieser Abbildung des männlichen Blicks auf das sonst nicht erblickbare Weiblichste, für Euch aber scheinbar problemlos - da fern jeglichen politischen Bewußtseins - veröffentlichbare Intimste erübrigt sich somit (leider) von selbst.

Mit besten Wünschen zu mehr Mut zu subversiver politischer Korrektheit!

Nicole Baïer, Salzburg

Drei Wochen nach Erscheinen des März-Kunstfehlers scheint kaum wer die Einlassungen der »What’s That Noise?« - Autoren (vgl. meine »Widerrede aus der Mottenkiste«, S. 24) beeinspruchen zu wollen. Vielfachen Zorn aber erregte eine Illustration des Beitrages. Das Foto zeigt eine junge Frau. Ganz im Sinne der Rave-Erfinder mit ihren scheinbar schwebenden Tanzkäfigen als scheinvirtuellen gerasterten Versatzstücken ihrer Inszenierungen wird sie nicht muttertagsglückwunschkartenfähig gerade von vorne im gelben Geblümten abgebildet, sondern in dem von ihr zum Anlaß gewählten Outfit schon halb entkörperlicht, weil ohne Bodenhaftung, von unten. Es scheint ihr gut zu gehen, sie tanzt aus Leibeskräften, und zwischen den Beinen werfen die knappen Pants Falten. So what?

Ein sexistisches Foto der männerdurchsetzten Redaktion beleidigt weibliche Augen, heißt es, Skandal! Und während rundherum ungeheuerliche Textpassagen Herz und Hirn von Mann und Frau zu beleidigen angetreten sind, indem die von den Bilanzverwaltern nach Kräften geförderte Leugnung jedweden sinnstiftenden Zusammenhangs bejubelt und eigenständiges Denken in Mottenkisten verbannt wird, wird ein Foto, das authentisch die Selbstwahrnehmung und -darstellung vieler junger Frauen heutzutage wiedergibt, inkriminiert. Deren Selbstwertgefühl und Haltung dem eigenen Körper sowie seiner öffentlichen Präsentation gegenüber korrespondiert, ob es wem paßt oder nicht, aber nicht mehr mit dem der Frauenbewegung der 70er und 80er. Auch haben mich Gespräche mit häufigen Rave-Besucherinnen in meinem theoretischen Wissen bestärkt, daß es keinerlei Tanzveranstaltung gibt, die Sexualität so weit zurücknimmt, wie das bei echten Raves der Fall ist (Stichwort Entkörperlichung).

Ohne mich aufdrängen zu wollen, stehe ich für ein kunstfehler-Foto (von oben, unten, links oder rechts) etwa im schmucken Body mit eingezogenem Bauch und frei zu vereinbarender Beinhaltung gern zur Verfügung. Schließlich habe ich über das Thema der exhibitionistischen Selbstsicht und ihres Nachrichtenwertes an die Umgebung einmal eine längere Prosa (Serie Piper, Band 1849, Seite 111 bis 124) geschrieben: »Selbstakt vor der Staffelei«.

Die Welt ist halt etwas komplizierter, als die FundamentalistInnen aller Länder es haben wollen.

Ludwig Laher, St. Pantaleon